Rede von Dr. Franziska Brantner Deutschland und die EU

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13.12.2019

Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu den rechtlichen Fehlern des Antrags brauche ich nichts mehr sagen; Herr Dr. Ullrich und Herr Kuhle haben das schon wunderbar ausgeführt. Ich möchte nur noch gerne hinzufügen – zu Ihrer Information –, dass die aktuelle Kommissionspräsidentin Frau von der Leyen heißt und nicht Herr Juncker, wie das in Ihrem Antrag noch steht.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christoph Ploß [CDU/CSU]: Von gestern!)

Sie wollen bei der europäischen Außen-, Sicherheits- und Steuerpolitik bei der Einstimmigkeit bleiben. Ihre Argumentation lautet: Dadurch gewinnt Deutschland an Souveränität. – Aber das Gegenteil ist doch der Fall: Damit wir wirklich souverän sein können als Deutsche und Europäerinnen, müssen wir europäisch handlungsfähig sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alleine, national, kann – und ich würde hinzufügen: soll – Deutschland außen- und sicherheitspolitisch nicht handeln.

Wer glaubt, dass Deutschland alleine gegenüber Putin, Erdogan, China, aber auch Trump einen Stich machen würde, der täuscht sich doch.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Wollen Sie gegen die kämpfen, oder was?)

Souveränität auf dem Papier, die Sie anstreben, ist doch gar nichts wert; denn in der Realität entscheiden dann andere über uns. Das ist doch, was wir wirklich zu entscheiden haben. Es gibt in Europa heute nur noch zwei Arten von Staaten: Es gibt die kleinen Mitgliedstaaten, und dann gibt es jene, die noch nicht wissen, dass sie klein sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Um europäisch in der Außen- und Sicherheitspolitik handlungsfähig zu werden, brauchen wir endlich den Übergang von der Einstimmigkeit zur qualifizierten Mehrheit. Einstimmigkeit bedeutet Blockade, Mehrheitsentscheidungen bedeuten Handlungsfähigkeit, und das bedeutet Souveränität.

Ich möchte noch was zur Steuerpolitik sagen. Herr Kuhle, Sie haben ja gesagt, Sie sind dagegen.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Ja!)

Wir wissen, dass wir in Europa einen hohen Kostenfaktor dadurch haben, dass wir die Steuerpolitik nicht koordinieren: 825 Milliarden Euro pro Jahr;

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Richtig!)

das sind die Zahlen der Europäischen Kommission. Wenn man den Betrag in 500-Euro-Noten stapeln würde, wäre der Turm rund 300 Kilometer hoch. Gestern im Berichterstattergespräch haben wir gehört, dass alleine dort, wo heute durch die Einstimmigkeit schon existierende Gesetzesvorlagen blockiert werden – Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage, Umsatzsteuerreform etc. –, jedes Jahr 150 bis 200 Milliarden Euro Verlust gemacht werden. Das bedeutet finanzielle Verluste auch für den Nationalstaat.

(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht für die FDP!)

Das ist unsere finanzielle Handlungsfähigkeit des Nationalstaats,

(Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])

die durch die Einstimmigkeit im Rat verloren geht. Ich hätte da gerne wieder Handlungsfähigkeit, damit wir diese Gelder auch wirklich bekommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Harald Weyel [AfD]: Das sind Ausgaben, keine Einnahmen!)

Und es gibt Bereiche, in denen wir auch national kaum noch was machen können. Im digitalen Bereich macht es Sinn, das europäisch anzugehen. Diese Aufgaben sind doch national überhaupt nicht mehr wahrzunehmen; das ist doch absurd. Das schaffen wir nur als Europäer.

Erlauben Sie mir einen letzten Gedanken. Wir haben jetzt den Brexit – der kommt auf jeden Fall –, und wir haben die Verhandlungen über den europäischen Haushalt. Die aktuelle deutsche Regierungsposition – Gesamtausgaben von 1 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung – bedeutet eine Kürzung des europäischen Haushalts. Wenn diese Regierung nicht sagt, wo sie kürzen möchte,

(Zuruf des Abg. Markus Töns [SPD])

man am Ende trotzdem bei einem höheren Betrag landet und dann wieder sagt: „Das waren die bösen anderen Länder, die nicht mitgemacht haben“, dann ist das das Spiel, das die Brexiteers über Jahre gespielt haben. Das ist gefährlich, und auf den Weg sollten wir uns nicht machen.

(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bitte seien Sie endlich verantwortungsbewusst genug, mit diesen Fragen umzugehen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Dr. Franziska Brantner. – Nächste Rednerin: Ursula Groden-Kranich für die CDU/CSU-Fraktion.