Rede von Britta Haßelmann Digitale Aufstellungsversammlungen in der Pandemie
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Wir alle sind beruhigt, dass wir heute keine Regelung extra für Herrn Kubicki schaffen müssen. Spaß beiseite; denn es geht ja um ein sehr ernstes Anliegen, meine Damen und Herren.
Die Ausgangslage ist, wie sie ist: Union und SPD haben am 9. Oktober 2020 gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen das Wahlgesetz geändert und eine unbestimmte und unklare Regelung zur Wahlvorbereitung unter Coronabedingungen geschaffen. Wir hatten das seinerzeit kritisiert und Sie dringend aufgefordert, es im Bundeswahlgesetz nicht an Bestimmtheit mangeln zu lassen. Dieser Aufforderung und auch unserem Änderungsantrag, den inhaltlichen Vorschlägen, sind Sie seinerzeit nicht nachgekommen, meine Damen und Herren. Das ist bedauerlich, und damit haben wir jetzt die Grundlage, wie wir sie heute haben.
Es ist darüber hinaus ein drängendes Problem und ein Anliegen aller Parteien – auch unserer Partei –, rechtssichere Regelungen zu haben, für alle Parteien die Wahlvorbereitung und Aufstellungsversammlung unter den Bedingungen einer großen Infektionslage und dieser Covid-Pandemie abhalten zu können. Wir wollen nicht das Risiko eingehen – und so geht es vielen in unterschiedlichen Regionen des Landes –, sich zu 600 zu versammeln und damit im Infektionsgeschehen die Gesundheit der teilnehmenden Menschen und auch vieler anderer Menschen so zu gefährden, wie Sie das mit Ihrer Aufstellungsversammlung in Kalkar gemacht haben, meine Damen und Herren,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Da waren viele Menschen. Jede und jeder von uns hier im Bundestag weiß, was das für sie in den zwei Wochen danach im Hinblick auf Covid-Ansteckung bedeutet hat, meine Damen und Herren. Ich kann verstehen, dass viele abwägen und sagen: Unter diesen schwierigen Bedingungen verschieben wir unsere Präsenzaufstellungsversammlung. Das haben ja viele gemacht, und es gibt auch gerade Überlegungen dazu in vielen Parteien. Oder sie verschieben Landesparteitage; da geht es auch darum, Landeslisten aufzustellen.
Aber ich glaube, das Wichtige ist, dass wir in dieser Situation jetzt diesen Feststellungsbeschluss treffen. Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: Wir haben damals vor dem Begriff der Unmöglichkeit gewarnt. Wir haben gesagt: Lassen Sie uns eine andere Formulierung für diese Krisensituation finden, aber nicht den Begriff der Unmöglichkeit. Sie haben leider den Ratschlägen des Innenministeriums Ihre Zustimmung gegeben und sich für diesen Begriff entschieden. Deshalb ist es doch müßig, jetzt rückwärtsgewandt zu sagen: Weil das alles so schlecht war, können wir heute nicht reagieren. – Wir müssen reagieren, und deshalb sieht auch unsere Fraktion die Notwendigkeit, in dieser Situation diesen Feststellungsbeschluss zu treffen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, es ist doch wichtig, dass wir jetzt sagen, –
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte.
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
– klar, diese Feststellung gibt’s. Die Priorität liegt bei der Präsenzveranstaltung, und das müssen wir auch alle unseren Landesverbänden, unseren Kreisverbänden sagen. Das muss vor Ort sozusagen der Grundsatz sein. Aber da, wo es nicht möglich ist, –
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Frau Kollegin, bitte.
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
– auch regional vielleicht nicht möglich ist, ermöglicht man jetzt zusätzlich durch den Feststellungsbeschluss diese Offenheit. Das ist der Beschluss, den wir heute treffen, –
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Frau Kollegin Haßelmann, bitte.
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
– und ich erwarte vom Bundesinnenministerium, dass die Rechtsverordnung dem Deutschen Bundestag dann aber auch rechtssicher und mit Bestimmtheit vorgelegt wird –
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Frau Kollegin Haßelmann, Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen.
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
– und wir nicht wieder so eine katastrophale Ausgangslage haben.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Vielen Dank, Frau Kollegin Haßelmann. – Als nächster Redner erhält das Wort der fraktionslose Kollege Mario Mieruch.