Rede von Dr. Till Steffen Digitalisierung der Justiz

Dr. Till Steffen
10.04.2024

Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Brandner, ein erheblicher Beitrag zur Entlastung der Strafjustiz wäre ja schon mal, wenn aus Ihren Reihen weniger Straftaten begangen würden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Da haben wir so einiges lesen können in den letzten Tagen. Wir wissen tatsächlich, was bei Ihnen los ist. Also, sorgen Sie mal dafür, dass wir da die Strafjustiz etwas weniger belasten.

Herr Strasser hat es gesagt: Es ist eine Routine, dass wir hier Vorlagen beraten, die sich der weiteren Digitalisierung der Justiz widmen. Und es ist auch gut so, dass hier ein Paket nach dem anderen angepackt wird und dass dieser Modernisierungsstau angegangen wird. Das ist sehr gut, dass das Haus hier einiges nacheinander vorlegt, dass wir das im Parlament bearbeiten und einen Schritt nach dem anderen tun können für die weitere Digitalisierung der Justiz. Dass wir uns regelmäßig mit diesen Themen beschäftigen, macht gleichzeitig auch sehr deutlich, was eigentlich die strukturellen Probleme sind; denn wir haben mittlerweile unsere Erfahrungen mit den Themen der Digitalisierung gemacht.

Es gibt ein paar Dinge, die immer wieder aufscheinen und die wir immer wieder merken. Zunächst merken wir schon: Es ist nicht einfach, die Justiz zu digitalisieren in einem föderal organisierten Staat. Föderalismus hat seine Vorteile; aber wir merken hier bei diesen Themen: Wir kommen zu zähen Abstimmungen, wir kommen zu Insellösungen, und es wird oft teuer. Die digitale Akte mit all den Erfahrungen, die wir gemacht haben, ist ein sehr, sehr gutes Beispiel dafür.

Ein zweiter Aspekt, ganz unabhängig von unserer Verfassungsordnung, betrifft das Mindset, das vorherrscht bei Fragen der Digitalisierung in Deutschland und gerade auch bei Fragen der Digitalisierung der Justiz. Zu den ganzen Details, die in dem Paket genannt wurden, ist schon viel gesagt worden. Ich will es daher an einem Beispiel festmachen: Wir haben ein Mindset, das häufig vom Missbrauch her denkt, und dadurch kommt es zu unnötig komplizierten Lösungen. Tatsächlich ist auch eine Struktur, die wir immer wieder erleben, dass bei der Übertragung einer Maßnahme von analoger Handhabung zur digitalen Handhabung die Formerfordernisse deutlich erschwert werden. Und das macht es dann unnötig kompliziert, wenn man wirklich Digitalisierung haben will.

Jetzt haben wir hier den Strafantrag, der künftig per E-Mail möglich sein soll. Es ist schon erläutert worden: Wenn jemand eine Strafanzeige erstattet, dann braucht es bei bestimmten Straftaten gleichzeitig noch einen Strafantrag des Verletzten. Der muss dann sagen: „Ja, ich will, dass das wirklich verfolgt wird“, zum Beispiel im Falle der Beleidigung. Das ist ein logischer Schritt, weil schon die Strafanzeige elektronisch oder per Mail möglich ist. Jetzt kommt hier die Bundesrechtsanwaltskammer, deren Expertise ich in Fragen der Digitalisierung ansonsten sehr schätze, und die trägt vor, es könne ja zu einem Missbrauch durch Spam und Fake Accounts kommen, und das sei dann alles nicht so seriös wie auf Papier.

Ich finde, dieses anschauliche Beispiel macht sehr gut deutlich, wie dieses Denken vom Missbrauch her die weitere Digitalisierung hemmt. Das ist tatsächlich sehr hinderlich. Der Missbrauch ist logischerweise auch auf Papier möglich. Natürlich ist es auch auf Papier möglich, dass bei der Staatsanwaltschaft ein Strafantrag eingeht, der überhaupt nicht von der Person stammt, die da auf dem Papier steht, oder die Person ist gar nicht die Verletzte, also gar nicht die Berechtigte. Ich könnte diesen Zettel nehmen, meinen Namen draufschreiben, äußern, worum es geht, und unterschreiben. Das wäre der Strafantrag. Ich kann auch eine Serviette nehmen. Das erfüllt die Formerfordernisse, die wir bisher in der analogen Welt haben. Ich finde, dann können wir es auch per E-Mail machen.

Deswegen: So eine Vereinfachung hinzukriegen, ist ein notwendiger Schritt. Gut, dass wir ihn jetzt gehen!

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Ich grüße Sie, manche auch wieder, die vor einer Dreiviertelstunde schon hier waren. Ich freue mich, wieder da zu sein, und gebe das Wort dem Kollegen Stephan Mayer für die CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)