Rede von Misbah Khan Digitalstrategie

22.09.2022

Misbah Khan (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Absichtserklärungen gab es in der Vergangenheit schon genug, und eigentlich steht im Koalitionsvertrag auch schon alles oder zumindest fast alles, was wir für richtig halten. Aber gut: Wenn wir jetzt eine Digitalstrategie brauchen, damit sich Deutschland von seinen Faxgeräten verabschiedet, dann sei dem eben so.

Digitalpolitik ist Gesellschaftspolitik. Mit welchen Prioritäten wir in den nächsten Jahren ebendiese Digitalpolitik gestalten, macht einen relevanten Unterschied dabei, wer davon profitiert. Frau Lenk, wenn Sie jetzt aufpassen, dann lernen Sie etwas:

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Muhanad Al-Halak [FDP] und Anke Domscheit-Berg [DIE LINKE] – Zurufe von der AfD: Oh!)

In dieser Gesellschaft existiert Machtungleichheit, die von einigen hier in diesem Haus auch vehement verteidigt wird. Und es macht einen relevanten Unterschied, wenn wir erkennen, dass es eine Gefahr ist, dass diese Machtungleichheit besteht.

Wir müssen unsere Digitalpolitik also gerechter machen, wir müssen sie barrierefreier machen, und wir müssen sie gemeinwohlorientierter machen. Uns geht es um den Schutz von marginalisierten Gruppen, uns geht es um Grundrechte und Menschenrechte, uns geht es um Nachhaltigkeit, uns geht es um Sozialpolitik, und uns geht es eben auch um intersektionalen Feminismus.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Carolin Wagner [SPD] – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Demokratie!)

– Du hast gerade Demokratie erwähnt. Ja, auch darum geht es uns. Denn Digitalisierung erschöpft sich für uns nicht in der Frage um schnelles Internet. Es geht um den Kern, unsere demokratischen Grundwerte, die wir auch in der digitalen Welt verteidigen wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Deshalb muss unsere Digitalpolitik zwingend eine intersektionale und eine feministische Digitalpolitik sein.

(Beatrix von Storch [AfD]: Unbedingt, ja! – Gegenruf der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, da kann die AfD noch was lernen, genau! – Gegenruf des Abg. Maximilian Funke-Kaiser [FDP]: Deswegen soll sie ja auch zuhören!)

Unsere Welt ist zu komplex für Quick Fixes. Zu oft schauen wir auf ein gesellschaftliches Problem und glauben, mit einer coolen App oder mit mehr Überwachung wird alles gut. Aber das ist nur Symptombekämpfung, und es ist technologische Flickschusterei. Stattdessen brauchen wir eine Digitalpolitik, die die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen in den Blick nimmt. Ebendieser Fokus macht einen relevanten Unterschied, wenn wir zum Beispiel über die Chatkontrolle oder über digitale Identitäten diskutieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und darum geht es uns, wenn wir von einer intersektionalen und einer feministischen Digitalpolitik sprechen. Dass die Idee der feministischen Digitalpolitik jetzt in der Digitalstrategie verankert ist, ist deshalb richtig und wichtig und ein relevanter Anfang – aber dabei kann es nicht bleiben.

Was wir jetzt brauchen, ist eine konsequente Zusammenarbeit mit der digitalen Zivilgesellschaft, die in der letzten Zeit viel zu oft vergessen wurde. In der Vergangenheit haben wir Millionen von Euro aus Steuergeldern für Projekte ausgegeben, die dann nach wenigen Tagen gescheitert sind. Deshalb sollten wir in dieser Koalition endlich die Expertise ernst nehmen und auf sie hören. Denn anders als in der Vergangenheit wollen wir uns nicht zu fein sein, um richtige Hinweise anzunehmen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Liebe Kollegin Khan, ich wollte Ihren Redefluss nicht unterbrechen; aber wenn Sie mich beim nächsten Mal zu Beginn der Rede begrüßen würden, wäre ich sehr dankbar.

(Beatrix von Storch [AfD]: So viel zum Feminismus!)

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Johannes Schätzl.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)