Rede von Dr. Anna Christmann Direkte Demokratie

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26.02.2021

Dr. Anna Christmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich selbst habe sechs Jahre in der Schweiz gelebt und dort zum Thema „direkte Demokratie“ promoviert. Ich kann Ihnen sagen: Der vorliegende Gesetzentwurf der AfD hat nichts mit der direkten Demokratie in der Schweiz zu tun. Hören Sie endlich auf, sich auf das Schweizer System zu berufen! Das ist so einfach nicht richtig.

(Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD], an die AfD gewandt: Sie kennen sich gut mit der Schweiz aus, aber mehr mit Geld!)

Sie versuchen, die Demokratie zu schwächen, statt sie zu stärken,

und dem stellen wir uns entgegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Selbst in der Schweiz wehrt man sich dagegen. Ehemalige Nationalräte wie Andreas Gross nennen Ihren Vorschlag „autoritär“ und explizit „unschweizerisch“. Reden Sie doch mal mit den Herrschaften! Dann werden Sie vielleicht noch viel dazulernen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Albrecht Glaser [AfD]: Haben wir gemacht, Frau Kollegin! Haben wir gemacht! – Beatrix von Storch [AfD]: Werden Sie mal konkret!)

Sie schlagen Regelungen vor, die es in der Schweiz überhaupt nicht gibt. Zum Beispiel sollen 10 Prozent des Parlaments Volksentscheide beantragen können. Damit wollen Sie einfach nur den Bundestag aus sich selbst heraus ausbooten. Das wäre eine Schwächung des Parlaments statt einer Stärkung der repräsentativen Demokratie durch direkte Demokratie. Das ist nicht unser Weg.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Albrecht Glaser [AfD]: Das steht aber gar nicht drin, Frau Kollegin!)

Zu dem wichtigen Anliegen, für eine lebendigere Demokratie zu sorgen – und das ist ein wichtiges Anliegen –, haben Sie überhaupt nichts beizutragen. Im schlimmsten Fall beschädigen Sie es noch. Aber das lassen wir nicht zu; denn wir setzen uns für lebendige Demokratie ein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das findet sich übrigens auch im neuesten Grundsatzprogramm, Herr Kollege Lindh. Dort steht ganz explizit drin: „Direkte Beteiligungsmöglichkeiten bereichern die repräsentative Demokratie.“ – Dafür stehen wir Grünen seit Jahrzehnten, und dafür streiten wir selbstverständlich auch weiter.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Glaser?

Dr. Anna Christmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein, danke. – Es gibt ja auch ein paar positive Ansätze, was ich sehr begrüße – allerdings nicht dank der Großen Koalition –, im Hinblick auf eine Stärkung direkter Beteiligungsmöglichkeiten. Wir haben jetzt schon den zweiten Bürger/-innenrat auf Bundesebene. Das ist eine sehr positive Entwicklung. Ich möchte hier sehr stark dafür werben: Das darf nicht der letzte Bürger/-innenrat gewesen sein, sondern wir müssen das auf Bundesebene institutionalisieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die GroKo hat dazu nichts geliefert.

(Widerspruch des Abg. Timon Gremmels [SPD])

Es war eine Expertenkommission für mehr Bürgerbeteiligung im Koalitionsvertrag angemeldet; die ist einfach nicht umgesetzt worden.

Es reicht nicht, immer nur zu sagen, Sie finden die Meinung der Bürgerinnen und Bürger ganz wichtig, aber ihnen dann an der Stelle keine weiteren Beteiligungsmöglichkeiten zu geben. Da werbe ich sehr für die Linie des Bundestagspräsidenten, der den ersten Bürger/-innenrat auf Bundesebene mit seiner Schirmherrschaft jetzt auch unterstützt, und dafür, diesen Weg jetzt wirklich weiterzugehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Grüne zeigen wir auch in den Ländern, dass wir für direkte Demokratie und direkte Beteiligung stehen.

(Zuruf von der SPD: Quatsch! Das war doch in Hessen! Nichts macht ihr!)

In Baden-Württemberg haben wir sehr erfolgreich eine Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung. Dieses Modell sollten wir auch auf Bundesebene prüfen; denn das führt zu echter Beteiligung, zu mehr Transparenz, zu mehr Demokratie. Das ist dringend notwendig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Glaser. Die Betonung liegt auf „kurz“.