Rede von Agnieszka Brugger Einsatz EUMPM in Niger

Foto von Agnieszka Brugger MdB
28.04.2023

Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Herausforderungen in Niger sind riesig: weit verbreitete Armut der Bevölkerung, die brutalen Folgen der Klimakrise und grenzüberschreitende Gewalt durch terroristische Gruppen. Gleichzeitig gibt es gerade hier große Bemühungen für Demokratie und Frieden, die das Land zu einem Hoffnungsblick für die Region machen.

Vor zwei Wochen durfte ich mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Haus Verteidigungsminister Pistorius und Ministerin Schulze auf ihrer Reise nach Niger und Mali begleiten. Vor Ort wurde deutlich, wie falsch es wäre, angesichts der immensen Herausforderungen im Sahel unser Engagement mit dem Abzug aus Mali vollständig zu beenden und eine Region, die gar nicht so weit entfernt von Europa liegt und mit uns über so viele Bande verbunden ist, mit ihren zahlreichen Problemen und Herausforderungen alleinzulassen, insbesondere weil wir in den letzten Jahren immer wieder beobachten mussten, dass, wo wir uns international zurückziehen oder nicht da sind, Staaten wie China und Russland versuchen, diese Lücke zu füllen. Was von ihnen am Anfang als freundliche Unterstützung versprochen wird, erweist sich dann anschließend oft als einseitige Abhängigkeit, die nur eigenen geostrategischen Interessen dient und nicht von echter Partnerschaft und ehrlicher Unterstützung für die Menschen vor Ort geleitet ist.

Gerade in einer Welt, in der sich globale Krisen und Herausforderungen verschärfen und der brutale russische Angriffskrieg in der Ukraine und damit auf unserem Kontinent tobt, sehen wir doch in überdeutlicher Art und Weise, dass auch wir darauf angewiesen sind, unsere Partnerschaften mit Staaten, die unsere Werte und Interessen teilen, weiter auszubauen und da zu sein, wenn sie uns brauchen, und unsere Beziehungen so zu gestalten, dass beide Seiten von der Zusammenarbeit profitieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Zu einem kohärenten Vorgehen gehört aber auch, dass wir Europäer/-innen gerade auch mit großer Sensibilität die historischen Machtstrukturen reflektieren und aufarbeiten, die aus der Zeit des Kolonialismus kommen, und uns als ehrliche und faire Partner für die Menschen in der Sahelregion erweisen. Da können und sollten wir auch noch besser werden.

Mit dem Ansatz der integrierten Sicherheit senden wir die klare Botschaft, dass Diplomatie, Entwicklung und Sicherheit nicht gegeneinandergestellt, sondern bei unserem internationalen Engagement noch stärker und kohärenter zusammengedacht werden müssen. Auch diese Überzeugungen haben die Ministerinnen Baerbock und Schulze und Minister Pistorius durch ihre jeweiligen Reisen in den Sahel mit großem Nachdruck unterstrichen. Das ist eine wichtige Botschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wie auch in vielen anderen Einsätzen konnten wir vor Ort aber auch hören und sehen, dass es unter anderem dem respektvollen und partnerschaftlichen Auftreten der engagierten zivilen Kräfte und auch unserer Bundeswehrsoldatinnen und ‑soldaten zu verdanken ist, dass die Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik Deutschland von den Menschen in Niger und trotz aller Schwierigkeiten auch in Mali nach wie vor sehr wertgeschätzt wird und Deutschland in der Region einen hervorragenden Ruf genießt. Dafür und für ihren Einsatz unter sehr schwierigen Bedingungen gilt ihnen unser aller Dank!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie des Abg. Jürgen Hardt [CDU/CSU])

Mit dem hier vorliegenden neuen Mandat für eine europäische Ausbildungsmission schaffen wir die Grundlage für eine partnerschaftliche Unterstützung vor Ort. Bei der Ausgestaltung hat sich die Bundesregierung eng mit Niger ausgetauscht, damit sich unser Engagement an den Bedürfnissen vor Ort ausrichtet.

Dabei ist eine Beteiligung an Kampfeinsätzen ausgeschlossen. Es geht um einen Beitrag zur Ausbildung und Reform von Sicherheitskräften, gerade weil wir die großen Gefahren sehen, denen die Menschen in Niger ausgesetzt sind. Terroristische Gruppierungen verüben im Sahel grenzüberschreitend Gewalt, während die Sicherheitskräfte nicht adäquat in der Lage sind, den Schutz der Zivilbevölkerung sicherzustellen.

Dabei stehen wir gleichzeitig mit der nigrischen Regierung ständig im klaren, zielorientierten und manchmal auch kritischen Dialog. Aufbauen können wir dabei auch auf die erfolgreiche Zusammenarbeit im Rahmen der abgeschlossenen Mission Gazelle. Denn auch das zeigen die Erfahrungen aus Mali und Niger im Negativen wie im Positiven: Die wichtigste Grundlage für gute Zusammenarbeit gerade im sensiblen militärischen und sicherheitspolitischen Bereich sind Vertrauen und gemeinsame Werte wie der Einsatz für Demokratie und Menschenrechte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Von unserer Reise ist mir aber das Treffen mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern besonders in Erinnerung geblieben. Wir haben miteinander darüber gesprochen, wie eine faire Machtverteilung zwischen den Regionen und der Zentralregierung aussieht, wie die oft sehr schwierige Situation von Frauen und Mädchen verbessert werden kann und muss und wie neue Lebensperspektiven für die sehr junge Bevölkerung entstehen, welche Unterstützung es angesichts der hohen Zahlen von Geflüchteten im Land braucht und welche Auswirkungen die Klimakrise in einer der heute schon am stärksten von ihren verheerenden Folgen betroffenen Region hat.

Die Kraft und das Engagement gerade dieser Frauen haben uns aber auch gezeigt, dass es auch in einer derart von multiplen Krisen geschüttelten Region Hoffnung gibt und auf welche Weise sich die Menschen vor Ort selbst für eine bessere Zukunft einsetzen. Diesen Weg sollten wir tatkräftig mit dem Ziel unterstützen, die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort zu verbessern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade angesichts der größer werdenden globalen Herausforderungen braucht es mehr und nicht weniger internationale Solidarität und sicherheitspolitische Zusammenarbeit. Deshalb bitten wir Sie heute um die Zustimmung zu diesem Mandat.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Brugger. – Der nächste Redner ist der Kollege Jürgen Hardt, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)