Einsetzung Untersuchungsausschuss "Pkw-Maut"

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25.10.2019

Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Besessen von der Bierzeltidee Ihrer Partei, Herr Minister Scheuer, haben Sie der Umsetzung der Pkw-Maut alles untergeordnet, insbesondere die Interessen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Noch vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes haben Sie einen milliardenschweren Vertrag am Parlament vorbei unterschrieben. Dieser Vertrag enthält versteckte Kosten in Millionenhöhe für den Bund, verlagert die Risiken einseitig auf den Staat und hätte deshalb nie so unterschrieben werden dürfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Sie sind mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zocken gegangen und haben dadurch einen Schaden in dreistelliger Millionenhöhe verursacht. Als Parlamentarier und Haushaltsgesetzgeber sehe ich uns im Interesse der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in der Pflicht, diesen Sachverhalt vollständig aufzuklären. Deshalb brauchen wir einen Untersuchungsausschuss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Herr Minister, Sie haben immer wieder behauptet, Sie seien quasi gezwungen gewesen, das Vergabeverfahren zur Pkw-Maut noch im Jahr 2018 abzuschließen. Tatsächlich hätte das Vergabeverfahren aber bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes verlängert werden können. Ein solches Vorgehen wäre rechtlich möglich gewesen. Das ist das klare Ergebnis eines Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes.

Ganz im Stil eines Donald Trump stellen Sie sich nun hierhin und sagen, Sie seien Opfer einer bösen Kampagne der Opposition und die Opposition habe zwar immer die Maut, aber nie das Verfahren kritisiert. Das ist glatt gelogen. Ich habe hier ein Stück Papier in der Hand. Das ist das Protokoll des Verkehrsausschusses vom 7. November letzten Jahres. Dort haben wir eine Selbstbefassung beantragt und zum Vergabeverfahren nachgefragt. Die Kolleginnen und Kollegen haben das genauso getan wie wir.

Ich habe dort gefragt, wie es sein kann, dass das Vergabeverfahren für die Kontrolle der Maut noch vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vertraglich fixiert wurde. Es wurde mir mitgeteilt – der Kollege Ferlemann, der neben Ihnen sitzt, hat es gesagt –, Auswirkungen der Klagen auf das Verfahren sehe die Bundesregierung nicht, da sie davon ausgehen würde, dass die Klagen nicht erfolgreich sein würden. Es ist bekanntlich anders gekommen. Ich sage Ihnen, Herr Minister: Im Untersuchungsausschuss können Sie sich solche Erinnerungslücken nicht leisten; denn da müssen Sie unter Eid aussagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Wir werden im Untersuchungsausschuss das Vergabeverfahren von vorne bis hinten durchleuchten. Mittlerweile kommen unabhängig voneinander drei Rechtsgutachten zu dem Ergebnis, dass die Konditionen des Mautbetreibervertrages klar zum Nachteil des Bundes geschlossen wurden. Im Falle einer Kündigung aus ordnungspolitischen Gründen – dazu zählt die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs – steht den Betreibern der entgangene Gewinn für die gesamte Laufzeit von zwölf Jahren zu.

Das TV-Magazin „Frontal 21“ hat sich den Businessplan der Betreiberfirma angesehen und mit Experten eine Umsatzrendite von sagenhaften 24 Prozent errechnet. Sechs Monate arbeiten, zwölf Jahre kassieren – es ist wirklich unglaublich, was hier unterschrieben wurde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Die Behauptung, man werde nicht zahlen müssen, weil es weitere Kündigungsgründe gebe, insbesondere Schlechtleistungen der Auftraggeber, ist konstruiert und durch die Aktenlage mittlerweile als unzutreffend entlarvt.

Im Oktober 2018 lag ein Angebot des letzten noch verbliebenen Betreibers für den Mautbetrieb in Höhe von 3 Milliarden Euro vor. Im Haushalt standen dafür aber nur 2 Milliarden Euro zur Verfügung. Unterschrieben wurde im Dezember dann ein Vertrag mit einem Volumen von 2 Milliarden Euro . Wir fragen uns: Was ist eigentlich in der Zwischenzeit mit der 1 Milliarde Euro passiert?

Andreas Scheuer und sein Staatssekretär Gerhard Schulz, der übrigens später die Seiten gewechselt hat und Geschäftsführer von Toll Collect geworden ist, trafen sich mehrfach mit den künftigen Mautbetreibern Kapsch und Eventim. Mitten in der heißen Phase des Vergabeverfahrens fanden also Spitzengespräche statt, über die es angeblich keine Vermerke und Protokolle gab, die lediglich einem politischen Gedankenaustausch gedient haben sollen. Für wie beschränkt halten Sie uns eigentlich?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Jeder Baustellenbesuch des Ministers zieht einen Meter Akten nach sich, und hier soll es keine Akten gegeben haben? Das halte ich für einen Witz. Die fehlende Veraktung ist ein klarer Rechtsbruch. Auch das bestätigt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Kühn, achten Sie bitte auf die Zeit.

Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich komme zum Schluss. – Es wäre auch sinnvoll, das zu verakten, nämlich zum Schutz vor Korruption. Sie haben es nicht getan.

Wir haben viele Fragen, insbesondere zu den Kosten. Das Stammtischprojekt der CSU ist teuer. Schon jetzt betragen die Kosten mehr als 80 Millionen Euro . Hinzu kommen Schadenersatzzahlungen -

Vizepräsidentin Petra Pau:

Setzen Sie bitte einen Punkt, und die Fragen verlagern wir dann in die Aufklärung.

Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– durch die Abwicklung des Mautverfahrens und des Schiedsverfahrens. Alles wird teuer. Sie tragen die politische Verantwortung für die Kosten. Kommen Sie Ihrer Verantwortung nach und treten Sie zurück.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Ulrich Lange das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)