Schahina Gambir MdB
13.10.2023

Schahina Gambir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD versucht in ihrem Antrag, dem Narrativ der Einwanderung in die Sozialsysteme einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben. Dabei ist diese immer wieder propagierte Behauptung ebenso gestrig wie falsch.

Werfen wir also einen Blick auf die Fakten: Der Generationenvertrag der gesetzlichen Rentenversicherung kommt durch den demografischen Wandel an seine Grenzen. Der Trend wird sich ohne Zuwanderung weiter verschärfen. In den letzten Jahren hat sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 2,3 Millionen erhöht; davon waren 1,5 Millionen Zugewanderte. Das sind knapp zwei Drittel. Das zeigt: Migration ist einer der größten Hebel zur Stabilisierung der Rentensysteme.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Zuwanderung und Zugewanderte sind die Garantie, dass alle Menschen in Deutschland weiterhin Renten bekommen.

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Deutschland ist auf Einwanderung angewiesen. Der Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel ist jetzt schon riesig und wird noch größer. Dennoch ist weiterhin der Irrglaube weit verbreitet, dass Deutschland ein besonders beliebtes Ziel sei. Das Gegenteil ist der Fall: Viele Zugewanderte verlassen Deutschland wieder. Das liegt an bürokratischen Hürden, sprachlichen Barrieren

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: … und am schlechten Klima!)

und nicht zuletzt an dem sich immer weiter ausbreitenden Rassismus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Beatrix von Storch [AfD]: Ach! Himmel, Herrgott!)

Deutschland ist als Einwanderungsziel aktuell überhaupt nicht attraktiv.

Und da sind wir auch schon beim Thema: beim rassistischen Ton, der im Antrag der AfD eigentlich die Musik macht, nämlich bei der Behauptung, dass Geflüchtete aufgrund von Sozialleistungen nach Deutschland kämen. Auch hier hilft ein Blick auf die Forschungslage: Sie beweist, dass es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Wahl des Ziellandes und der Höhe der Sozialleistungen gibt. Vielmehr stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2016 fest, dass die häufigsten Gründe für Schutzsuchende erstens die Achtung der Menschenrechte und zweitens ein gutes Bildungssystem sind.

(Beatrix von Storch [AfD]: Ich denke, hier herrscht Rassismus! Was denn nun? Achtung der Menschenrechte oder Rassismus?)

Der Rechtsstaat, die Humanität und die Demokratie machen Deutschland lebenswert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Statt über vermeintliche Anreize zu lamentieren, müssen wir auch über die Hürden sprechen, die die Arbeitsaufnahme erschweren. Investitionen in die Integration von Geflüchteten lohnen sich. Je mehr in Sprachkurse und Berufsbildung investiert wird,

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Warum dauert das mit den Sprachkursen so lange?)

desto mehr profitieren wir gesamtgesellschaftlich und desto mehr profitiert der Staatshaushalt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Wer profitiert davon? Wer? Die, die ihren Arbeitsplatz verlieren? Die, deren Löhne unter Druck geraten? Oder die FDP?)

Die AfD fordert in ihrem Antrag „Faktenbasiertheit“ zu diesem Thema. Ich sage Ihnen: Eine ehrliche und sachliche Debatte über Migrationspolitik kann nur erfolgen, wenn sie klar Abstand nimmt von rassistischen Diskursen und sich nicht von Falschbehauptungen, Verkürzungen und Vorurteilen leiten lässt. Zu dieser Diskussionskultur sollten übrigens alle demokratischen Fraktionen in diesem Hause zurückehren.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat Jens Peick für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)