Rede von Ekin Deligöz Einzelplan Auswärtiges Amt
Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Jetzt stehe ich hier an diesem Pult leider als Haushälterin und nicht als Außenpolitikerin. Ich habe aber schon zwei Erkenntnisse gewonnen. In jeder Rede wurde einmal die Situation auf dem Globus umrissen mit einer differenzierten Analyse. Die zweite Erkenntnis ist: Wir brauchen mehr Diplomatie denn je, wenn die deutsche Außenpolitik im Ausland erfolgreich sein soll.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)
Dann komme ich ganz schnell wieder zum Etat. Dort finden Sie die Antworten auf die zu klärenden Fragen. Ich muss hier die Beobachtung meines Kollegen Link, der auch Haushälter ist, bestätigen und will mit einem Beispiel anfangen, das noch nicht einmal den kommenden Etat betrifft, sondern den Etat 2018, also den für dieses Jahr. Wir haben ihn erst vor kurzem verabschiedet, wohl wissend, in welcher Komplexität die Weltlage steckt und wo die Konflikte sind.
Die erste Feststellung kurz nach der Sommerpause ist also, dass dieser Etat ausgerechnet dort, wo das Auswärtige Amt eine der wichtigsten Aufgaben überhaupt hat, kürzt, nämlich bei der humanitären Hilfe des UNHCR. Für die humanitäre Hilfe des UNHCR werden im jetzigen Etat 2018 circa 150 Millionen Dollar weniger zur Verfügung stehen als im Vergleich zum Vorjahr, und damit auch weniger für seine humanitäre Syrien-Hilfe. Angesichts der Tatsache – das ist in allen Reden vorgekommen –, wie brenzlig die Situation vor Ort ist, wie dieser Konflikt zunimmt und sich zuspitzt und dass davon 3 Millionen Zivilisten betroffen sind, ist es beschämend, dass aus Deutschland die Nachricht und das Signal ausgehen, dass wir ausgerechnet hier bei der humanitären Hilfe trotz des großen Bedarfs weniger als im Vorjahr zur Verfügung stellen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Das darf nicht sein. Hier brauchen wir eine Korrektur. Nehmen Sie etwas von dieser Debatte mit, Herr Minister.
Herr Wadephul, Sie haben in Ihrer Rede die Finanzplanung angesprochen. Ja, auch wir haben es in den letzten Reden mehrfach angesprochen. Es hat sich nur nichts geändert. Diese Finanzplanung ist ja nicht irgendwie eine Blumenwiese, wo man mal ein bisschen mehr oder weniger einstellt, sondern das ist die Grundlage der Planbarkeit der zukünftigen Aufstellung der politischen Arbeit.
Der Etat nimmt um 530 Millionen Euro im Jahr 2020 ab, 720 Millionen Euro im Jahr darauf, und so geht das weiter. Das ist vollkommen utopisch. Wo soll denn das Amt dieses Geld einsparen? Am Ende können Sie es doch nur dort kürzen, wo es wirklich wehtut. Wollen wir das? Können wir das? Dürfen wir das? Ich sage: Nein, genau das dürfen wir nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Die Aufgaben, die auf uns zukommen, werden uns etwas kosten. Ich nenne Ihnen da den nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat oder die EU-Ratspräsidentschaft; diese sind benannt. Aber ich sage auch: Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist doch das, was das Bild Deutschlands nach außen prägt. Das sind doch unsere Visitenkarten im Ausland. Das gilt auch für die Klimadiplomatie. Das gilt auch für die IT-Sicherheit. Da geht es nicht nur um neue Computer, da geht es auch um vieles mehr, das daran hängt. Hier sind wir geradezu in der Pflicht, mehr zu investieren.
Es geht auch um den Mittelbedarf für die Sicherheit von Diplomatinnen und Diplomaten im Ausland.
(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Jawohl! So ist es!)
Wir können es doch nicht darauf ankommen lassen, dass wieder ein Anschlag passiert, bevor wir in die Puschen kommen und diesen Auftrag ernst nehmen. Hier sind wir in der Verantwortung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Michaela Noll [CDU/CSU])
Sie sagen im Koalitionsvertrag, die Ausgaben für Verteidigung und Außen- und Entwicklungspolitik sollen in den nächsten Jahren eins zu eins gesteigert werden. Sie haben Ihr Versprechen gebrochen; denn wir reden schon längst nicht mehr über diese Wahlperiode, sondern wir reden über die kommende Zeit. Unsere Anfragen an die betroffenen Ministerien haben eines gezeigt: Sie biegen die Zahlen bis zum Brechen, damit die Zahlen am Ende irgendwie passen. Ob am Ende ein Eins-zu-Eins herauskommt, ist ungewiss. Das Einzige, was gewiss ist, ist, dass das Ministerium von Frau von der Leyen mehr Geld kriegen wird. Was mit den anderen zwei Ministerien – dem Auswärtigen Amt und dem Entwicklungsministerium – passiert, ist noch unsicher. Ich finde, es täte Ihnen gut, wenn Sie sich mal an Ihre Versprechen hielten, die Sie geben. An dieser Stelle ist es mehr als notwendig, dass Sie das tun.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Michael Georg Link [FDP])
Es gibt aber auch erfreuliche Sachen. Sie erhöhen zum Beispiel die Flexibilität im Bereich des Internationalen Roten Kreuz. Hier haben Sie unsere Unterstützung. Das Auswärtige Amt hat definitiv auch unsere Unterstützung, wenn es um Personal geht. In manchen Ländern warten die Leute nicht ein Jahr, sondern zweieinhalb Jahre, um überhaupt einen Termin für die Beantragung eines Visums zu erhalten. Da reden wir noch nicht einmal über die Erteilung eines Visums. Viele Institutionen, die vom Auswärtigen Amt unterstützt werden, bangen um ihre Existenz und sind sich nicht sicher, ob sie die Qualität ihrer Arbeit gewährleisten können, wenn sie nicht mehr Personal bekommen.
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Frau Kollegin.
Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das ist mein letzter Satz. – Ich nenne Ihnen da ein paar: das Deutsche Archäologische Institut, das Zentrum für Osteuropa- und Internationale Studien und das Institut für Auslandsbeziehungen. Es reicht nicht, nur danach zu rufen, sondern wir müssen diese Mittel auch einstellen.
Herr Minister, Sie haben ein SPD-Parteibuch, der Finanzminister auch. Ich finde, an dieser Stelle sollten Sie auch die SPD-Politik ernst nehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Herausforderungen sind da, aber es hilft nicht, sie nur zu analysieren, sondern wir müssen auch handeln.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)