Rede von Markus Tressel Einzelplan Ernährung und Landwirtschaft

05.07.2018

Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Haase hat vorhin mit den Worten eingeleitet: „Heute ist ein guter Tag für die ländlichen Räume“. Mir erschließt sich nicht ganz, wo er diese Zuversicht hernimmt.

Jahrelang sind die ländlichen Räume ja unter dem Wahrnehmungsradar der Politik in Berlin gelaufen; aber auf einmal sind sie in aller Munde. Das ist – das muss man klar sagen – positiv, und das ist auch absolut notwendig. Deswegen war ich etwas enttäuscht, dass die Ministerin heute keine 60 Sekunden über das Thema „ländlicher Raum“ gesprochen hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wir teilen uns das auf!)

Wenn das die Bedeutung ist, die Sie gemeint haben, dann war das heute auch eine Fehlleistung der Ministerin.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hätte auch erwartet, liebe Frau Ministerin, dass die neue Bundesregierung mit deutlich mehr Engagement – in diesem Haushalt – an das Thema herangeht.

Wir erinnern uns an die letzte Wahlperiode. Damals wollten Sie die GAK schon zur Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“ umbauen. Das hat bekanntermaßen nicht ganz geklappt. Vorhin haben Sie an die SPD appelliert. Sie hätten das doch gemeinsam mit der SPD in der vergangenen Wahlperiode machen können. Da hatten Sie nämlich eine Mehrheit in diesem Hause, um das Grundgesetz zu ändern; jetzt haben Sie sie nicht mehr. Jetzt wird es schwerer, liebe Freundinnen und Freunde, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe ganz wenig Hoffnung, dass am Ende tatsächlich mehr rauskommt. Ein Blick in den vorliegenden Haushalt genügt, um das zu bestätigen. Die Mittel für das Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“, die Sie angeführt haben, wurden nicht noch einmal erhöht, sondern belaufen sich nach wie vor auf 55 Millionen Euro. Es ist gut, dass sie da sind, aber man hätte sie noch einmal erhöhen müssen. Neu ist nur, dass Sie 10 Millionen Euro für den Sonderrahmenplan „Förderung der ländlichen Entwicklung“ ausgeben. Ja, das ist ein erster Schritt, und es ist ein kurzes Haushaltsjahr. Aber entweder Sie wollen wirklich etwas verändern oder eben nicht. Wenn Ersteres der Fall ist, was ich einmal unterstelle, dann hätten Sie schon im Haushalt 2018 die Ärmel hochkrempeln müssen, um mit einem ernstzunehmenden Mittelumfang wenigstens quasi ein erkennbares Startsignal zu geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen mehr Nachhaltigkeit und weniger Modellprojekte; darauf haben Sie vorhin ja rekurriert. Das kann ich in Ihrem Entwurf aber nicht erkennen.

(Ulrich Freese [SPD]: Doch!)

Die 1,5 Milliarden Euro für den ländlichen Raum sind angesprochen worden. Wo sind denn wenigstens die ersten Boten dieser 1,5 Milliarden Euro in diesem Haushalt? Absolute Fehlanzeige!

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Ministerin hört gar nicht zu!)

Wenn man einmal ganz ehrlich ist, muss man sagen: Nach einer ellenlangen Regierungsbildung bleibt Ihnen doch nur wenig Zeit, das umzusetzen, zumal wir nach den Unionschaostagen nicht wissen, wie lange Sie mit dieser Koalition überhaupt durchhalten. Das ist für die Leute da draußen in den Regionen, die Unterstützung dringend nötig haben, keine besonders schöne Perspektive. Die hängen in der Schwebe, und das ist doch kein guter Zustand, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also: Ihre 10 Millionen Euro können und dürfen nur ein Anfang sein; das wird Ihnen auch selbst klar sein. Eine reine Mittelerhöhung wird Ihnen da nicht helfen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Abrufquoten besser werden, dass das System vereinfacht wird.

Was brauchen die strukturschwachen ländlichen Regionen? Sie brauchen Investitionen, und sie brauchen echtes Engagement. Neben Themen wie Digitalisierung, Mobilität und Nahversorgung gibt es Probleme, die man mit dem Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“ eben nicht lösen kann. Vielerorts braucht die Infrastruktur eine grundlegende Sanierung. Die Sanierung eines Wassersystems in einer Gemeinde kostet 20 Millionen Euro.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Ministerin hört immer noch nicht zu!)

Da kommen Sie mit Ihren 10 Millionen Euro auf Bundesebene nicht weit, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund spricht von einem Investitionsstau von über 100 Milliarden Euro. Der Bund darf die Länder und Kommunen da nicht alleine lassen. Da werden wir auch an die Gemeinschaftsaufgaben rangehen müssen. Durch die Einrichtung einer Kommission wird sich das noch einmal weiter nach hinten verschieben, bis es zu einer Lösung kommt. Wenn wir wirklich den Anspruch haben, gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland sicherzustellen, dann muss hier wesentlich mehr passieren als das, was Sie in diesem Haushalt vorgelegt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Frau Ministerin – ich weiß, Sie hören mir nur eingeschränkt zu –,

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Die quatscht mit ihrer Nachbarin!)

Sie hätten die Chance gehabt, mit diesem Haushalt ein deutliches Zeichen zu setzen, dass Sie die Entwicklung der ländlichen Räume wirklich ernst nehmen. Ich habe den Eindruck, Sie versprechen den Menschen etwas, das Sie nachher ganz offensichtlich nicht zu liefern bereit sind. Genau das ist die Botschaft dieses Haushaltes.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss.

Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Man kann für die ländlichen Räume in diesem Land wirklich nur hoffen, dass sich Ihr mündlich vielfach bekundeter Tatendrang im kommenden Haushalt 2019 widerspiegelt.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege.

Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Dieser Haushalt, wie er jetzt vorliegt, ist für die ländlichen Räume und ihre Herausforderungen jedenfalls beinahe eine Nullnummer, Frau Ministerin, und das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herzlichen Dank.