Rede von Dr. Tobias Lindner Einzelplan Ernährung und Landwirtschaft

05.07.2018

Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Geschätzter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Haase, Sie haben zu Recht die Wetterkapriolen erwähnt – mögliche Dürre, Ernteausfälle –, unter denen die Landwirte in Deutschland zu leiden haben. Aber wenn man über den Tellerrand hinausblickt und eine solche Haushaltswoche nutzt, um nicht nur über das eigene Fachgebiet zu reden, dann wird eines natürlich ganz deutlich: Klimaschutz, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist kein Luxusthema; er geht uns alle an.

(Zuruf von der AfD: Panikmache auch! Das sind doch alles Märchen!)

Wenn eine Bundesregierung wie diese viel zu wenig tut beim Thema Klimaschutz, dann merkt man ganz konkrete Auswirkungen auf die Menschen hier in Deutschland und erst recht auf die Landwirtschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade deshalb muss man beim Thema Landwirtschaft sagen – ich unterstreiche das vollkommen –, dass der ländliche Raum mehr ist als der Ort zur Erzeugung von Lebensmitteln. Ländlicher Raum ist Lebensqualität. Ländlicher Raum ist Struktur. Ländlicher Raum ist für viele Menschen Heimat. Aber gerade wenn man ihn erhalten will, dann muss man natürlich die Art und Weise, wie man Landwirtschaft betreibt, ändern. Da tut diese Bundesregierung viel zu wenig, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man hätte ja noch hoffnungsvoll sein können, als man in den Koalitionsvertrag geschaut hat. Denn da finden sich durchaus Stichworte, für die auch wir Grünen uns erwärmen können, zum Beispiel die bäuerliche und ökologische Landwirtschaft und das Tierwohllabel. Dazu möchte ich Ihnen ganz deutlich sagen: Das muss man staatlich machen. Wenn wir der Agrarindustrie selbst überlassen, die Standards zu setzen, dann werden das keine Standards sein, die Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich bewusst entscheiden wollen, irgendwie nützen werden.

Es findet sich im Koalitionsvertrag auch die ominöse Zahl von 1,5 Milliarden Euro für die Entwicklung der ländlichen Räume. Aber schaut man sich die Umsetzung im Haushalt 2018 an – ich verrate kein Geheimnis – und schaut man in das, was morgen im Entwurf des Haushalts 2019 stehen soll, dann muss man feststellen: So weit, so wenig. Denn die Umsetzung im Haushalt lässt diese wohlklingenden Begriffe doch leider eher zu Überschriften verkommen.

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Das Stichwort „Bienen“ ist schon gefallen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Manche erinnern sich vielleicht noch an die erste Elefantenrunde am 16. Mai dieses Jahres, als die Bundeskanzlerin hier von diesem Pult in der Generalaussprache über das Thema Bienensterben sprach und sagte – ich zitiere –:

Die Bienen stehen inzwischen pars pro toto für das, was wir unter Artenvielfalt, unter Natur ... verstehen.

Aber wenn dem so ist, wenn das sogar die Bundeskanzlerin erkannt hat, wenn klar ist, dass es um Bienen, aber auch um viel mehr, nämlich um unsere Biodiversität geht, dass es darum geht, dass das ökologische Gleichgewicht im Gleichgewicht bleibt, dann muss ich Sie fragen, Frau Klöckner: Warum hat man vom Ihrem Reduktionsplan im Hinblick auf Neonikotinoide – eine Sache, die so unaussprechlich ist, dass man sie allein deswegen verbieten sollte –

(Rainer Spiering [SPD]: Neoniks!)

bisher nichts gehört, nichts gelesen und nichts gesehen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben ja angekündigt, Geld für dieses Thema zur Verfügung zu stellen. In Ihrem Haushalt finden sich exakt drei neue Stellen und, ich glaube, drei Bienenvölker auf dem Dach Ihres Hauses. Ganz im Ernst: Ich weiß nicht, wie sich drei neue Stellen allein, wenn man sonst nichts beim Thema Neoniks macht, um 877 000 Bienenvölker in Deutschland kümmern sollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Thema „Tierwohl und ökologische Landwirtschaft“ will ich Ihnen ein weiteres Beispiel nennen. Ja, wir müssen zu besseren Haltungsbedingungen für Tiere kommen. 88 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher sind bereit, für Fleisch, das aus ordentlicher Haltung kommt, mehr zu zahlen.

(Karlheinz Busen [FDP]: Das ist völliger Quatsch!)

Wenn man Tierställe artgerecht umbauen und die Landwirte mitnehmen will, kostet das aber nach Schätzungen zwischen 3 und 4 Milliarden Euro. Bei Ihnen im Haushalt finden sich gerade einmal 15 Millionen Euro für ein Stallumbauprogramm. Wenn Sie in diesem Tempo weitermachen, dann wird sich bei diesem Thema in den nächsten Jahrzehnten nichts ändern. Das können wir nicht zulassen, nicht im Interesse der Verbraucher und erst recht nicht im Interesse der Tiere.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir Grüne haben in den Haushaltsberatungen Vorschläge gemacht, was wir anders machen würden, wo wir Ihr Haus stärken würden und wie wir diese Themen finanziell unterfüttern würden. Wir können Sie nur aufrufen, beim Haushalt für 2019 an diesen Stellen auf jeden Fall mehr Geld vorzusehen. Im Haushalt für 2018 werden hierfür so geringe Mittel zur Verfügung gestellt, dass wir ihm nicht zustimmen können.

Der letzte Punkt in meinen letzten 20 Sekunden: Bemühen Sie sich um die 1,5 Milliarden Euro für die Entwicklung der ländlichen Räume! Bisher ist in Ihrem Haushalt nichts davon zu sehen. Dieses Geld wäre viel zu schade, um es Heimat-Horst zu geben.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Lindner.