Rede von Dr. Tobias Lindner Einzelplan Ernährung und Landwirtschaft

11.09.2018

Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir zurückdenken an die letzte Sitzungswoche vor der Sommerpause, dann merken wir, dass die hohen Temperaturen in Deutschland, auch hier in Berlin, einige Zeit spürbar waren. Ich glaube, die wenigstens von uns hätten einen solchen Sommer, der nicht nur so heiß, sondern auch so trocken ist, prognostiziert. Man muss sagen: So etwas steht nicht allein. Wer das abtut als ein einziges Extremwetterereignis, der hat die Zeichen der Zeit nicht gesehen. Seit 2014 erleben wir das fünfte Jahr in Folge die wärmsten Jahre weltweit. Beim Klima auf unserem Planeten ändert sich etwas. Die Klimakrise ist real, keine Fiktion. Deswegen wäre es fatal, wegzuschauen und nichts zu tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Krise – das ist klar – stellt die Landwirtschaft, die Bäuerinnen und Bauern vor existenzielle Herausforderungen. Um es – erstens – klar zu sagen: Es war richtig in diesem Sommer angesichts dieser Dürre zu helfen und Zahlungen zu leisten. Zweitens, Frau Ministerin – es wird ja immer gerne geschimpft und kritisiert; das ist ja auch die Aufgabe der Opposition –, will ich Sie an einer Stelle loben: Ich fand es richtig, dass Sie standhaft geblieben sind und dem Druck von Verbänden nicht sofort nachgegeben, sondern erst einmal den Erntebericht abgewartet haben. Das war in dieser Situation das richtige Verhalten.

Aber: Wir dürfen nicht bei Symptombekämpfung stehen bleiben. Es ist richtig, in einer existenziellen Notlage zu helfen; aber es kann ja nicht die Lösung sein, Jahr für Jahr – Kollege Saathoff hat es erwähnt – einfach nur Geld auf das Problem zu schütten. Vielmehr müssen wir an die Ursachen des Problems ran. Wir müssen die Klimakrise in Deutschland und auf diesem Planeten eindämmen. Da, meine Damen und Herren, muss auch die Landwirtschaft ihren Anteil zur Lösung des Problems beitragen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen reicht Anpassung an eine Klimakrise natürlich nicht aus. Das ist nicht unbedingt das falscheste Instrument; aber wenn man nichts gegen Erderwärmung tut, wenn man sich einfach nicht darum kümmert, ob die Erderwärmung um maximal 2 Grad steigt oder ob es noch mehr wird, dann wird man einen Punkt erreichen, an dem man sich nicht mehr anpassen kann. Deswegen müssen sich diese Bundesregierung – es ist schade, dass die Bundesumweltministerin nicht mehr im Plenum ist – und alle Ressorts, auch Sie, Frau Klöckner, und Ihr Haus, fragen lassen, was sie gegen die Klimakrise tun und wann sie auch für die Landwirtschaft einen ambitionierten Klimaaktionsplan vorlegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nicht nur an dieser Stelle macht dieser Etat nur halbherzige Sachen. Ich will einen zweiten Punkt thematisieren: das Thema Tierwohllabel. Es ist gut, dass Sie sagen, Sie wollen ein solches Label einführen. Wenn man berücksichtigt, dass 88 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher bereit sind, mehr Geld für Fleisch, das aus besserer Haltung kommt, auszugeben,

(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Das sagen Sie jeden Tag!)

dann sage ich: Das ist überfällig. Sie dürfen an dieser Stelle natürlich nicht stehen bleiben. Sie müssen sich die Frage gefallen lassen: Wann kommt denn das Label? Ich sage mit Blick auf die Kollegin der FDP, die ich sonst sehr schätze: Ich finde – ganz im Sinne Ludwig Erhards – es ist gut, wenn wir es staatlich machen, Marktwirtschaft muss Leitplanken setzen. Deswegen brauchen wir ein staatliches Tierwohllabel. Aber klar ist auch, dass man begleitende Maßnahmen, sprich ein Stallumbauprogramm auf den Weg bringen muss, das auch wirklich ambitioniert ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Wie sollen die denn aussehen?)

Es ist den Tieren und den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht geholfen, wenn wir nur über ein Label gehen. Wir müssen an die Produktionsbedingungen ran. Auch hier reicht es nicht aus, nur an den Symptomen herumzudoktern. Wir müssen an die Ursachen ran und ambitioniert vorgehen.

Ein letzter Punkt. Es ist gut, dass diese Koalition uns mit diesem Haushaltsplan endlich verrät, wie sie die 1,5 Milliarden Euro, die in den ländlichen Raum fließen sollen, über die Jahre und über die Ressorts verteilt. Ja, es ist gut, dort zu investieren. Aber um das in aller Deutlichkeit zu sagen: Geld allein macht nicht glücklich.

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Aber es beruhigt!)

Geld allein hilft an dieser Stelle nicht. Deshalb müssen wir – es ist bereits erwähnt worden – auch endlich damit anfangen, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ umzubauen und zu erweitern in eine Gemeinschaftsaufgabe für die ländlichen Räume, bei der Ökologie und Klimaschutz eine viel stärkere Rolle als bisher spielen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir Grünen werden mit einer Menge an Vorschlägen, wie man es besser machen kann, in diese Haushaltsberatungen gehen. Die Spielräume – es ist heute Morgen schon erwähnt worden – sind in diesem Bundeshaushalt nämlich vorhanden. Deswegen sind wir nicht zaghaft. Packen wir es an! Die Chance haben wir nämlich nur ein Mal. Wenn wir zu lange warten, wenn wir jetzt schlafen, dann werden wir in diesem Jahr nicht zum letzten Mal Dürrehilfen ausgezahlt haben, sondern eine Zukunft erleben, in der das der Regelzustand wäre. Wir Grünen stehen dafür, dass wir die Ursachen angehen und unsere Landwirtschaft und unser Klima fit für die Zukunft machen.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)