Rede von Ekin Deligöz Einzelplan Familie, Senioren, Frauen und Jugend

22.11.2018

Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fange mit dem an, was mich gerade sehr gestört hat. In der Verfassung, im Grundgesetz dieses Landes steht: Ehe und Familie stehen unter besonderem Schutz. – Dort steht nicht: nur die deutsche Ehe oder nur die deutsche Familie, sondern Ehe und Familie. Für uns sollten Kinder Kinder und Familien Familien sein. Wir sollten nicht die eine Gruppe gegen die andere ausspielen. Wir sollten uns genau für diese Menschen einsetzen. Das ist unser Auftrag. Was Sie hier gemacht haben, Herr Münz, spaltet diese Gesellschaft und schadet dieser Gesellschaft. In diesem Sinne lassen Sie uns gemeinsam einstehen für das, was wir in der Verfassung festgeschrieben haben, nämlich für alle Kinder und für alle Familien einzustehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)

Frau Ministerin, genau darin haben Sie auch unsere Unterstützung. Ich finde es gut, dass Sie nach Chemnitz gefahren sind und dass Sie ein solches Programm wie „Demokratie leben!“ auflegen; denn das bringt diese Gesellschaft zusammen und versöhnt sie. Auch darin werden wir Sie unterstützen, genauso wie beim Erreichen vieler anderer Ziele, die Sie sich gesetzt haben. Aber ich kann kein Geheimnis daraus machen, dass auch ich über den Weg enttäuscht bin, genauso wie über den Umgang mit dem Haushaltsausschuss. Ich wünschte mir etwas mehr Redlichkeit und Verbindlichkeit. Ich will Ihnen ein paar Beispiele nennen.

Erstens, das Gute-Kita-Gesetz. Ja, wir alle wollen das Beste gerade in der frühkindlichen Förderung. Sie geben den Ländern viel Geld, schaffen aber nirgendwo Verbindlichkeiten, die dafür sorgen, dass das Geld genau dort ankommt, wohin es kommen soll.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Was passiert eigentlich, wenn die Länder das Geld nehmen und nicht für das Konkrete ausgeben? Können Sie das Geld zurückholen? Nein! Können Sie sanktionieren? Nein! Können Sie Verbindlichkeiten schaffen? Nein! Die Idee, die die Kollegen von der Linken und meine Fraktion als Änderungsantrag einbringen werden, ist, Verlässlichkeit und Vertrauen für die Kinder zu schaffen. Das muss doch unser Auftrag sein. Aber Sie verlassen sich auf warme Worte. Ich befürchte, dass das nicht reichen wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Das zweite Beispiel ist das Thema Kinderarmut. Kinder in Deutschland leben in Armut. Es ist eine Schande für ein reiches Land, wenn sich ein Kind noch nicht einmal einen Schwimmbadbesuch leisten kann oder einen Kindergeburtstag, Stichwort „Teilhabe“. Das fängt schon mit der Gebühr bei der Stadtbücherei an. Wir warten noch immer auf Ihren Gesetzentwurf in den Bereichen Kinderzuschlag und Teilhabepaket; wir kennen ihn noch nicht. Gerade deshalb habe ich Angst, dass Sie hier nur Trippelschritte machen werden, dass der große Durchbruch weiterhin auf sich warten lässt. Meine Fraktion hat Ihnen einen Vorschlag gemacht. Wir wollen mit einem 6-Milliarden-Euro-Paket in einem reichen Land endlich den Durchbruch im Sinne der Kinder schaffen, sodass Kinderarmut ein Thema von gestern ist und unsere Kinder eine Zukunft haben, in der ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe garantiert wird. Das muss doch unser Ziel sein, keine Trippelschritte, bei denen viel versprochen wird, die aber nichts bringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Es reicht nicht, nur über den Kinderzuschlag zu sprechen. Wir müssen auch über die Hartz-IV-Sätze reden. Diese müssen neu berechnet werden. Einen entsprechenden Antrag haben wir eingebracht. Es ist Ihre Aufgabe, nicht nur auf bestimmte Bereiche zu achten, sondern für alle Kinder aktiv zu werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Der dritte Punkt ist der Freiwilligendienst; das ist besonders spannend. Im Frühjahr habe ich Sie gefragt, ob Sie Bedarf an neuen Plätzen sehen. Sie haben das verneint. Dann habe ich Sie gefragt, ob Sie eine Bedarfsabfrage vornehmen werden. Das haben Sie erneut verneint. Ich habe Sie noch einmal gefragt, ob Sie der Meinung sind, dass wir mehr Plätze brauchen. Sie haben das verneint. Dann gab es in der Sommerpause eine Debatte über Pflichtdienste. Sie haben als Antwort gesagt: Alle, die einen Freiwilligendienst machen wollen, sollen das können. Ich garantiere dafür. – Jetzt landen wir bei einer großartigen Erhöhung von 9 Prozent. Damit sollen zeitgleich der pädagogische Auftrag erfüllt und neue Plätze geschaffen werden. Merken Sie eigentlich selber, wie hoch Sie gesprungen sind und wie tief Sie gefallen sind mit Ihren Forderungen? Wenn Sie sich tatsächlich dafür einsetzen wollen, dann müssen Sie Geld in die Hand nehmen. Wir haben dafür einen Antrag eingebracht. Sie haben ihn bedauerlicherweise abgelehnt. Kleine Schritte sind zwar auch Schritte, aber hier bräuchten wir endlich mal ein beherztes Herangehen an die Sache.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Letzter Punkt. Ja, auch wir kritisieren, dass Sie über Nacht neue Stellen bewilligen, davon 30 Stellen für eine ominöse Abteilung für Strategie und Innovation. Auf die Frage „Was sollen denn diese Menschen machen?“ kam die Antwort – sage und schreibe! –: Andere Ministerien haben es doch auch. – Das ist doch keine Antwort. Das ist doch kein Inhalt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist kein Ziel. Das ist kein Wille. Das sind einfach nur Stellen, die Sie für was auch immer – ist es der Status? – brauchen. Auch ich zitiere den Bundesrechnungshof. Er sagt: Die besagten 30 Planstellen sind nicht etatreif begründet.

Schlimmer finde ich es, ehrlich gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie das im Haushaltsausschuss durchgewunken haben. Das ist nicht redlich. Das ist nicht in Ordnung. Das ist ein Fehler. Ich finde, gerade aus Selbstachtung sollten wir es als Haushälter am meisten einfordern, dass man verantwortungsvoll mit Steuermitteln umgeht.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Grigorios Aggelidis [FDP])