Rede von Dr. Kirsten Kappert-Gonther Einzelplan Gesundheit

22.11.2018

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gemessen an all dem Geld, das in unserem Gesundheitswesen ist – wir haben die Summen gehört –, könnte es viel besser sein; das muss uns Ansporn sein. Über-, Unter- und Fehlversorgung sind leider immer noch an der Tagesordnung. Arme Menschen sterben in unserem reichen Land eher als wohlhabende, und sie haben gleichzeitig einen schlechteren Zugang zu Gesundheitsförderung und Gesundheitsversorgung; das ist beschämend.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nicht nur auf dem Land fehlen Haus- und Kinderärzte. All das muss sich ändern. Gibt es denn Lösungen in diesem Haushalt? Gibt es echte Strukturreformen? Nein, Fehlanzeige, die brauchen wir aber; denn Strukturen sind in unserem Gesundheitswesen das A und O.

Beispiel Organspende: Wie schafft es denn der Organspendeweltmeister Spanien, so viel besser zu sein, so viel mehr Menschen zu helfen als wir? Wir waren neulich mit fünf Abgeordneten des Gesundheitsausschusses vor Ort und haben gefragt: Was ist denn Ihr Erfolgsrezept? Die Antwort lautete: Organisation, ganz klare, transparente Strukturen. Die Spanierinnen und Spanier setzen dabei im Übrigen komplett auf Freiwilligkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Politik kann und Politik muss für gute Strukturen sorgen.

Beispiel Notfallversorgung: Landauf, landab platzen die Notaufnahmen aus allen Nähten; das muss sich ändern. Die Menschen sitzen nicht aus Jux und Tollerei in den Notaufnahmen; sie sitzen da, weil sie in Not sind und nicht wissen, wo sie sich sonst hinwenden sollen. Die strikte Trennung zwischen ambulanten und stationären Angeboten schadet auch da, wie übrigens überall im Gesundheitswesen, der Versorgung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ließe sich ändern.

Herr Minister Spahn, ich frage mich, warum Sie nicht mutiger sind und die verkrusteten Strukturen im Gesundheitswesen wirklich und ernsthaft adressieren. Ich finde, dass Sie sowohl die Patientinnen und Patienten als auch insbesondere die nichtärztlichen Berufsgruppen zu wenig im Blick haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sage ich ausdrücklich als Ärztin. Eine gute Gesundheitsversorgung entscheidet sich gerade daran, wie die verschiedenen Berufsgruppen zusammenarbeiten.

Schauen wir auf die Geburtshilfe: Die Arbeitsbedingungen in den Kreißsälen müssen besser werden;

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn – das ist doch klar – auf den Anfang kommt es an. Endlich hat die Regierung eingesehen, dass wir mit der Akademisierung der Hebammen vorankommen müssen. In spätestens einem Jahr müssen nach EU-Verordnung übrigens entsprechende Maßnahmen vorliegen; Ihr Ministerium, Herr Minister, ist dafür verantwortlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wo sind denn die Konzepte? Legen Sie endlich etwas vor.

Nun haben Sie von der Koalition all unsere grünen Haushaltsanträge im Bereich Gesundheit abgelehnt. Jetzt könnte man sagen: Okay, das gehört zu den parlamentarischen Gepflogenheiten. – Es ändert aber nichts daran: Sie werden die skizzierten Probleme angehen müssen.

Last, but not least zu Ihrer Cannabispolitik: Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Die Prohibition ist gescheitert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ihre Verbotspolitik erschwert, verhindert geradezu den Gesundheits- und Jugendschutz. Auch diesen Haushaltsantrag von uns haben Sie – sozusagen naturgemäß – abgelehnt. Dabei spricht sich ja inzwischen auch der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, immerhin CDU, für Modellprojekte aus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, wir Grünen fordern Sie auf: Geben Sie endlich Butter bei die Fische.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)