Rede von Katja Keul Einzelplan Justiz und Verbraucherschutz

22.11.2018

Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeshaushalt ist insgesamt größer geworden, auch wenn Justiz nach wie vor mit Abstand der kleinste Einzelhaushalt geblieben ist. Daran hat auch der angekündigte Pakt für den Rechtsstaat nichts geändert. Trotzdem freuen wir uns, dass das Parlament in letzter Minute eine Verstärkung des Bundesgerichtshofes um gleich zwei Senate veranlasst hat. Allerdings wurde dabei die Beschlusslage des Bundestages übersehen, wonach für jeden neuen Zivilsenat in Karlsruhe ein Strafsenat nach Leipzig umziehen sollte.

Wir fragen uns außerdem, warum Sie als Ministerin diese Stärkung des Bundesgerichtshofes nicht selbst vorgeschlagen haben. Schließlich brauchen wir in absehbarer Zeit eine Veränderung bei den zulässigen Rechtsmitteln, die ohne eine solche Stärkung schwierig werden würde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So kann die provisorische Streitwertgrenze für Nichtzulassungsbeschwerden zum BGH nicht alle zwei Jahre immer wieder verlängert werden. Wir Grüne hatten unter anderem vorgeschlagen, stattdessen die mündliche Verhandlung in der Berufungsinstanz wieder zur Regel zu machen, um die Akzeptanz der Entscheidung zu erhöhen.

Auch die Ungleichbehandlung in Familienverfahren muss endlich beendet werden. Es ist nicht verständlich, warum es in familiengerichtlichen Verfahren weniger Rechtsschutz gibt als in anderen zivilrechtlichen Verfahren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zur Begründung hieß es immer, man bräuchte dann einen zweiten Familiensenat beim BGH. Jetzt stehen die Mittel bereit, und das Argument entfällt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir vermissen außerdem eine entsprechende Verstärkung des Bundesverwaltungsgerichts. Das würde mehr Verfahren beschleunigen als jedes Planungsbeschleunigungsgesetz,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

zumal Sie ja mit diesem Gesetz dem Bundesverwaltungsgericht noch die Streitsachen für Infrastrukturvorhaben zugewiesen haben. Wie soll das gehen ohne zusätzliche Ressourcen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gut finden wir die zusätzlichen 21 Stellen beim Generalbundesanwalt, und wir hoffen, dass diese Stellen auch der so wichtigen Völkerstrafrechtsabteilung zugutekommen. Aber auch diese Stellen sind Ihnen erst vom Parlament in den Haushalt hineingeschrieben worden. Nur die zusätzlichen 74 Stellen in Ihrem eigenen Ministerium hatten Sie schon selbst eingeplant.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber gut, dass es jetzt in Ihrem Haus eine ganze Unterabteilung für den Pakt für den Rechtsstaat gibt. Sonst ist nämlich von dem Pakt bislang nicht viel zu sehen. Die Ankündigung von 2 000 zusätzlichen Richterstellen aus dem Koalitionsvertrag entpuppt sich zunehmend als heiße Luft. Die Aufstockung würde sich auf rund 400 Millionen Euro jährlich belaufen, und die Länder fragen zu Recht, wo die denn nun herkommen sollen. Und wo bleibt eigentlich die Anwaltschaft als Organ der Rechtspflege in Ihrem Pakt? Was bringt der schönste Rechtsstaat, wenn die Bürger keinen Zugang mehr dazu haben?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Frau Ministerin, Sie haben zu diesem Pakt für den Rechtsstaat noch nicht wirklich viel beigetragen. Das liegt wohl kaum daran, dass zu viel Energie in die anstehenden Gesetzesvorhaben gesteckt wird. Wo bleibt zum Beispiel die schon in der letzten Legislaturperiode angekündigte Verschärfung des Ordnungswidrigkeitenrechts gegenüber juristischen Personen und Unternehmen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, schrecklich!)

Wo bleibt die Umsetzung der Vorschläge des Arbeitskreises Abstammungsrecht? Zwei Jahre lang haben die Experten getagt, und der Abschlussbericht liegt lange vor. Wann geht es hier weiter?

Mit dem Strafgesetzbuch ist es wie mit dem Haushalt. Es bläht sich auf. Neues kommt immer schneller hinein, als Altes hinaus. Alle paar Wochen kommt von der SPD-Fraktion die Ankündigung: Jetzt würde aber bald wirklich was passieren beim § 219a. Ja wer soll denn das noch glauben?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Wir! – Zuruf von der FDP: 14 Prozent!)

Sogenannte Lebensschützer nutzen die Defizite des Gesetzes, um flächendeckend Strafanzeigen gegen Ärzte zu erstatten. Sowohl das Berufungsurteil in Sachen Hänel als auch die Anhörung im Rechtsausschuss haben den gesetzgeberischen Handlungsbedarf klar bestätigt. Also: Auf was warten Sie noch? Harmonischer wird es in dieser Koalition sicherlich nicht mehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser freiheitlicher Rechtsstaat braucht eine starke, durchsetzungsfähige Justizministerin. Zeigen Sie endlich, dass Sie diesem Anspruch gerecht werden und nicht nur auf den Abruf nach Europa warten!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)