11.09.2018

Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der fast vollständigen Zerstörung unserer Stadt am 11. September 1944 wurde der Wiederaufbau völlig anders, nämlich als autogerechte Stadt angelegt, genauso wie in vielen anderen deutschen Städten in dieser Zeit. Drumherum entstanden im Laufe der Jahre unvorstellbar viele Autobahnkilometer. Das Ganze ergab das fossile Mobilitätsleitbild für Jahrzehnte, mit fatalen Folgen, wie wir alle wissen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und heute? Immer mehr Menschen geht das hemmungslose Zubetonieren ihrer Umgebung auf die Nerven. Sie spüren, dass diese Politik längst an ihre Grenzen gestoßen ist, dass es so nicht weitergehen kann. Sie kämpfen für Radwege. Sie kämpfen für den ÖPNV. Sie kämpfen gegen Lärm und dicke Luft in ihren Städten.

(Beifall der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE])

Herr Minister, sogar in Ihrem eigenen Bundesland, in Bayern, schwindet zunehmend die Akzeptanz für den rasanten Flächenverbrauch. Bayern ist nämlich auch da Spitzenreiter. Aber anstatt nun Deutschland für die Herausforderungen der Zukunft wie Klimakrise, saubere Luft und emissionsfreie Mobilität für alle fit zu machen, klammern Sie sich genauso wie Generationen von Verkehrsministern an Beton, Blechkarawanen und freie Fahrt für freie Bürger. Herr Scheuer, so wird das nichts.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE])

Das „Sofortprogramm Saubere Luft“ ist mit 1 Milliarde Euro über fünf Jahre ausgestattet. Genauso viel legen Sie allein in diesem Haushalt für Straßenbau obendrauf.

Anstatt selbst zu handeln, schieben Sie die Verantwortung, für saubere Luft in unseren Städten zu sorgen, an die Kommunen ab. Gewiss, es ist natürlich vernünftig, kommunale Fahrzeuge nachzurüsten oder auszutauschen. Wenn allerdings die kommunale Fahrzeugflotte weniger als 5 Prozent der Stickoxidemissionen ausmacht, der Rest aber von Privat- und Pendler-Pkw erzeugt wird, dann wird doch eines deutlich, Herr Scheuer: Mit Maßnahmen auf kommunaler Ebene ist das Problem nicht zu lösen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ein Verkehrsminister, der das nicht erkennt, der muss kenntnismäßig nachgerüstet oder eben ausgetauscht werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Denn Mobilitätspolitik ist mehr als Straßenbau. Wir brauchen eine massive Stärkung des Schienenverkehrs und ein Ende der Bevorzugung hochemissionsträchtiger Verkehrsträger wie Luft und Straße. Es ist absurd, dass eine Bahnfahrkarte für eine bestimmte Strecke doppelt so viel kostet wie ein entsprechendes Flugticket, und es ist absurd, dass Sie noch steuerliche Anreize setzen für immer größere und schwerere Pkw in unseren Städten, wo die Raumnot schon jetzt groß ist und wo ihr dringend begegnet werden muss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Trotz großer Versprechen im Koalitionsvertrag und beim Dieselgipfel tut sich nichts bei der Radverkehrsförderung. Unterstützen Sie doch endlich die städtische Verkehrswende, den Ausbau von ÖPNV-Angeboten und Radwegen. Stärken Sie den ÖPNV im ländlichen Raum; dort ist es besonders wichtig. Sorgen Sie endlich für eine faire Lösung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger mit einer echten Sofortmaßnahme bei der technischen Nachrüstung von Dieselmotoren, anstatt immer nur die Autoindustrie zu pampern und dort für Neuwagenverkauf zu sorgen. Das ist nicht Ihr Job. Ihr Job ist, eine Lösung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu deren größten Vorteil zu schaffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Lassen Sie mich eins noch sagen, Herr Scheuer. Das alles ist eine hundertprozentig ideologiegetriebene Verkehrspolitik, die mit den Anforderungen der Gegenwart und insbesondere der Zukunft nicht das Entfernteste zu tun hat. Kommen Sie endlich im Jahr 2018 an!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)