Rede von Anja Hajduk Einzelplan wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

12.09.2018

Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in dieser Debatte schon mehrfach gesagt worden: China hat große Aktivitäten unternommen, seine Handelspartnerschaft mit Afrika zu stärken. Auf dem chinesisch-afrikanischen Gipfel ist jetzt in der Tat verkündet worden, dass es in den nächsten Jahren Investitionen in Höhe von 60 Milliarden Dollar umzusetzen gilt.

Wir sollten uns ruhig einmal veranschaulichen, wie das für Deutschland aussieht. Deutschland rangiert mit voraussichtlich 1 Milliarde Euro im Jahr 2018 auf den hinteren Rängen in Bezug auf Direktinvestitionen in Afrika. Deutschland investiert in Ungarn, wenn man das mal vergleicht, mehr als in allen 55 afrikanischen Staaten zusammen. Das ist sicherlich keine kluge Strategie. Insofern ist es auch ein Weckruf für die EU und auch für Deutschland, das strategisch noch mal klug zu durchdenken.

Andere Kollegen haben hier durchaus auch kritisch angemerkt: Es ist nicht unbedingt ein Selbstgänger, dass die Aktivitäten, die China dort im Bereich Investment tätigt, nachhaltig sind und genügend Wertschöpfung in Afrika selbst belassen. Insofern, Herr Müller, haben Sie auch unsere Unterstützung, wenn Sie die deutsche Wirtschaft auffordern und animieren wollen, in Afrika mehr zu investieren; denn mit sozialen, ökologischen Standards und auch mit der bisherigen Überzeugung, dort Arbeitsplätze zu schaffen und für Ausbildung zu sorgen, können wir sehr sinnvolle Maßnahmen betreiben.

Ich möchte diese Debatte auch nutzen, um über Augenhöhe mit Afrika und über die sehr positive Reaktion der afrikanischen Regierungen auf die chinesische Initiative zu sprechen; die müssen wir ja ernst nehmen. Das bedeutet für uns, dass wir auch eigene Interessen in Afrika suchen und sie dann partnerschaftlich umsetzen sollten. Es dürfen eigene Interessen sein, wenn sie ehrlich artikuliert werden. Augenhöhe ist nicht gegeben, wenn man nur Hilfe gewährt, sondern Augenhöhe ist ein ehrlicher Interessenausgleich.

(Markus Grübel [CDU/CSU]: Mit dem Marshallplan!)

Ich glaube, dass wir in Deutschland und in Europa an dieser Stelle noch transparenter und ehrlicher mit unseren strategischen Zielen umgehen sollten.

Herr Müller, ich möchte Ihnen aber auch mit auf den Weg geben: Längst nicht jedes Instrument ist sinnvoll. In der Tat hat zum Beispiel das DEval, Ihr Evaluierungsin­stitut, bei der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in diesem Jahr hervorgebracht, dass zu viele Programme in der derzeitigen Ausgestaltung die eigenen Erwartungen nicht erfüllen können. Ich zitiere:

Ansprüche bezüglich größerer Einkommens- und Beschäftigungseffekte oder gar der Stärkung privatwirtschaftlicher Strukturen … werden nicht erfüllt.

Es muss uns auch nachdenklich machen, dass es ein wirklich unkoordiniertes Nebeneinander von sogenannten Entwicklungsscouts, Infodesks in Außenhandelskammern und Beratungen über Agenturen für Wirtschaft gibt. Die Tätigkeit von dort beratenden Institutionen ist nicht genügend abgestimmt zwischen BMZ und zum Beispiel dem Wirtschaftsministerium.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Michael Georg Link [FDP])

Wir erwarten, dass Sie auch da eine positive Entwicklung in Gang setzen.

Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Sie, Herr Müller, haben hier deutlich gemacht – damit wir Ihre Worte ernst nehmen, müssen Sie sich korrigieren –, dass es doch eigentlich widersprüchlich und widersinnig ist, dass wir es nicht schaffen, mit der internationalen Gemeinschaft genügend Geld für Entwicklung global zu generieren. Dann müssen wir Ihnen mit auf den Weg geben: Steuern Sie auch im eigenen Haus um. Fördern Sie bitte mehr multilaterale Programme, und stecken Sie nicht zu viel und zu einseitig in Ihre hauseigenen Sonderinitiativen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ihre eigene Schwerpunktsetzung sollten Sie korrigieren.

Last, but not least. Sie haben gesagt: Klima und Entwicklung müssen wieder wichtiger werden. – Das unterstreichen wir. Und dann nehmen wir Sie und die Koalitionsfraktionen beim Wort. Sie regieren. Sie haben hier heute eine Menge Krokodilstränen vergossen. Wir wollen von den 25 Milliarden Euro Rücklagen, die in diesem Haushalts- und Finanzplan verbraten werden, nicht nur 1 Prozent mehr für Entwicklung, sondern 5 Prozent. Das entscheiden wir Ende November mit Ihnen zusammen. Hier einfach nur Krokodilstränen zu vergießen, reicht wirklich nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)