Rede von Dr. Robert Habeck Energiesicherung und Kohleausstieg

Robert Habeck
11.11.2022

Dr. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz:

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir führen diese Debatte in einer Zeit energiepolitischer Widersprüche; jedenfalls scheint es so zu sein. Hier in Deutschland kreist die Debatte ganz wesentlich um die Energiesicherung, um die Frage: Wie kommen wir mit einem stabilen System durch die nächsten beiden Winter? Zeitgleich findet in Ägypten die Klimakonferenz, die COP 27, statt, die uns drängt, zu dekarbonisieren. Hier sorgen wir dafür, dass Kohlekraftwerke oder auch Ölkraftwerke zur Verfügung stehen. Dort wird darüber gesprochen, dass sie möglichst nicht mehr lange zur Verfügung stehen. Heute Morgen war in der Atomdebatte Ähnliches zu beobachten: Wir verlängern die Laufzeit einer Technik, bei der sich Deutschland entschieden hat, dass es sie nicht mehr will und nicht mehr braucht. Gleichzeitig arbeiten wir im Moment mit Hochdruck daran, die erneuerbaren Energien nach vorne zu bringen, die Netze auszubauen, Wind- und Solarenergie zum Backbone der zukünftigen Energiesicherheit des Landes zu machen.

Beides wiederholt sich in dieser Debatte und wird in einem Gesetz zusammengeführt. Wir brauchen in dieser angespannten Lage für diesen Winter auch die Kapazitäten von zwei Braunkohlekraftwerken, die sonst Ende dieses Jahres aus dem Betrieb gegangen wären: Neurath D und E, jeweils mit 600 Megawatt. Gleichzeitig müssen wir sehen, dass wir die Emissionen, die wir dieses Jahr möglicherweise zu viel in die Atmosphäre geben, möglichst schnell reduzieren. Entsprechend ist der Gegenschuss, dass wir drei Kraftwerke mit jeweils 1 000 Megawatt im Rheinischen Kohlerevier nicht 2038 vom Netz nehmen, sondern 2030.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Damit lösen wir das, was sich als Gegensatz in dieser widersprüchlichen Zeit gegenübersteht, in einem Gesetz auf, schaffen jetzt, in der Zeit der Not, Versorgungssicherheit und machen gleichzeitig einen klaren Schritt Richtung Horizont, in Richtung in der Perspektive, die wir als Sicherheit für die Zukunft brauchen.

Man muss die Augen schon sehr fest zudrücken, wenn man glaubt,

(Karsten Hilse [AfD]: Wenn man Ihnen glaubt, ja!)

dass die Erderwärmung, die Klimakrise, in Zukunft die geopolitische Lage der Welt, nicht auch dieses Land extrem gefährden wird. Es heißt immer „Klimaschutzpolitik“, aber ich wiederhole, was an anderen Stellen schon gesagt wurde: Das Klima braucht überhaupt keinen Schutz. Wir schützen nicht das Klima, wenn wir Klimaschutz betreiben. Wir schützen ein Leben in Sicherheit und Freiheit. Und dazu ist es dringend notwendig, dass die Emissionen runtergehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Thomas Heilmann [CDU/CSU] – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Aber sich China ausliefern!)

Sehr geehrte Damen und Herren, das Ganze ist voraussetzungsreich. Wir binden den Ausstieg daran, dass eine alternative Energieversorgung da ist. Es gibt verschiedene Schritte der Überprüfung und Reservemöglichkeiten. Und natürlich ist das Gesetz nur dann etwas wert, wenn es Wirklichkeit wird. Das heißt, der Ausbau der Erneuerbaren muss im Rheinischen Revier wie überall schnell vorangehen. Wir brauchen die Anbindung ans Gas- bzw. möglichst schnell ans Wasserstoffnetz, und wir brauchen Kraftwerke, die Gas- bzw. Wasserstoff-ready sind und dann auch produzieren können. Damit ist auch ein industrielles Projekt verbunden; denn diese Kraftwerke gibt es ja noch gar nicht.

(Karsten Hilse [AfD]: Stimmt!)

Die müssen designt, entwickelt und gebaut werden. Hiermit verbinden sich Arbeitsplätze, verbindet sich ein großvolumiger Auftrag für deutsche Ingenieurskunst, meinetwegen auch andere Ingenieurskünste, aber so, wie ich die Sache sehe, sind es gerade deutsche Unternehmen, die versuchen, diese Technik nach vorne zu bringen. Das, was dieses Land ökonomisch immer stark gemacht hat, nämlich im Maschinenbau, in der Innovationstechnik stark zu sein und Exportprodukte zu schaffen, die dann in der Welt verkauft werden, braucht es auch in der nächsten Zukunft. Also, was wir hier schaffen, ist nicht nur Klimaneutralität und Energiesicherheit, sondern ein Booster für den nächsten Schub der Wertschöpfungskette hier in Deutschland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Arbeitsbeschaffungsmaßnahme!)

Arbeitsplätze und Exportmöglichkeiten auf der Basis einer klimaneutralen Energiewelt, das ist die industriepolitische Perspektive für dieses Land.

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich kurz zu dem zweiten Gesetz kommen, dem Energiesicherungsgesetz, das jetzt in schöner Tradition immer wieder novelliert wird. In diesem Fall geht es darum, dass eine weitere Regelung geschaffen wird, eine Rechtsgrundlage auch für die mögliche – ich betone: mögliche – Enteignung beweglicher Güter.

(Karsten Hilse [AfD]: Ganz genau, wie in der DDR! Super! Mit großen Schritten in den real existierenden Sozialismus!)

Zu diesen Gütern gehören beispielsweise Daten, die man hat und die der Energiesicherung in Deutschland zur Verfügung stehen müssen; oder um Röhren bzw. Anbindungspipelines aus der Bauphase von Nord Stream 2, die es noch gibt, die aber jetzt für die Anbindung von alternativen Kapazitäten in der deutschen Ostsee gebraucht werden.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Nee, die brauchen wir zur Reparatur!)

– Ihnen ist hoffentlich nicht entgangen, dass, erstens, Putin kein Gas mehr liefert und, zweitens, die Röhren kaputt sind. Wenn Sie jetzt, nachdem die Röhren ein fettes, 250 Meter großes Loch haben, immer noch sagen: „Die Alternativen brauchen wir nicht“, dann haben Sie Ihren Kopf so tief in den Sand gesteckt, dass Sie nicht einmal mehr Ihre eigenen Füße sehen. Ich bitte Sie, wenigstens die Nachrichtenlage zur Kenntnis zu nehmen, wenn schon die politische Lage immer an Ihrem Interesse vorbeigeht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Thomas Heilmann [CDU/CSU] – Dr. Götz Frömming [AfD]: Dass Ihnen das recht ist, ist schon klar!)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir brauchen beides: Wir brauchen die Rechtsgrundlage, und wir brauchen die Daten und die Röhren, um die Versorgungssicherheit in diesem Land sicherzustellen. Ich danke für die Einbringungsmöglichkeit über die Fraktionen und bitte um Zustimmung.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat die Kollegin Anne König für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)