Rede von Erhard Grundl Enquete-Kommission zu Medien und öffentlich-rechtlichem Rundfunk

Foto von Erhard Grundl MdB
11.11.2022

Erhard Grundl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Intention des vorliegenden Antrags ist mehr als durchsichtig. Hier soll ein wichtiges Instrument parlamentarischer Kontrolle zur Showveranstaltung degradiert werden. Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk sich in einem fortlaufenden Reformprozess befindet, spielt für Sie da drüben auch gar keine Rolle. Schließlich ist nicht die Reform Ihr Ziel, sondern das Infragestellen und Zerstören des Öffentlich-Rechtlichen. Der ÖRR ist all denen ein Dorn im Auge, die sich vor den Fakten fürchten, die die Klimakatastrophe und die Pandemie für Erfindungen halten und die globalen Krisen im Breitbart-News-Fieber wegfantasieren.

Wie die Strategie rechts außen funktioniert, sieht man, wenn man zum Beispiel nach Ungarn schaut: Private Medien werden dort von Orban-Freunden aufgekauft. Außerhalb von Budapest gibt es kein Radio, kein Fernsehen, keine Zeitung, die nicht von Orban oder seinen Kumpeln kontrolliert wird. Unabhängige Journalistinnen und Journalisten werden als Agenten diffamiert. Bei meinem Besuch in Polen vor einigen Monaten waren auch die staatlich gelenkten Medien ein Thema. Es ist eine Tatsache, dass sämtliche Regionalzeitungen in der Hand regierungsnaher Konzerne sind. – Damit fehlt in diesen beiden Ländern etwas ganz Entscheidendes: Regierungskontrolle durch freie und handlungsfähige Medien und faktenbasierte Kritik an den politischen Akteurinnen und Akteuren. So ein Mediensystem mit Maulkorb und Fußfesseln wünschen sich vielleicht die Antragstellenden hier; das wird es mit uns aber nicht geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE] – Dr. Marc Jongen [AfD]: Doch, haben wir!)

Zur diversen Medienlandschaft in Deutschland gehört der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Er ist eine tragende Säule unserer Demokratie, ein Garant für Freiheit und Vielfalt. Wer seine Legitimität und Funktion infrage stellt, der gefährdet Grundprinzipien unserer Gesellschaft. Der ÖRR ist keinem Parteiinteresse verpflichtet.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Es kann Ihnen zum Beispiel passieren, dass Sie an einem unschuldigen Dienstagabend, wie zum Beispiel am 20. September dieses Jahres, bei „Maischberger“ einen Auftritt von Alice Weidel und, wenn Sie dem menschlichen Impuls des Umschaltens folgen, dann bei „Markus Lanz“ Frau Wagenknecht mit ihren steilen Thesen sehen können. Das mag als Erlebnis schon schmerzhaft sein. Aber egal! Es ist die Vielfalt der Meinungen, auch wenn sie abstrus sind. Dafür stehen die Öffentlich-Rechtlichen. Ja, man darf in Deutschland alles sagen; aber man muss es dann auch ertragen und darf nicht rumheulen, wenn man Gegenwind bekommt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Es sind Journalistinnen und Journalisten, die nach ihren handwerklichen Standards und ihrem Kodex unabhängig entscheiden, worüber sie und wie sie berichten. Das ist entscheidend für unsere Demokratie, entscheidend für unser Land.

Die öffentlich-rechtlichen Sender sind eine starke Antwort auf demokratiefeindliche Entwicklungen. Wir wollen die Meinungsbildung nicht milliardenschweren Konzernen wie Google und Facebook überlassen,

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

die eigene wirtschaftliche Interessen über die Belange des Gemeinwohls stellen. Wir wollen in Deutschland keine Meinungshegemonie von Akteuren wie Fox News, die ihr Geschäftsmodell in der Spaltung der Gesellschaft gefunden haben.

ARD und ZDF bieten eine verlässliche und attraktive Grundlage für öffentliche Meinungsbildungsprozesse.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das ist Staatsfernsehen!)

Denn nur mit einer gemeinsamen Faktenbasis

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

können wir über politische Lösungen diskutieren. Wenn diese Basis fehlt, herrscht die Diktatur der alternativen Fakten. Dieser Diktatur stellen wir uns entgegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Doch zurück zu Ihren Forderungen. Der Öffentlich-Rechtliche muss nicht, wie Sie sagen, ein Mal einer Bestandsaufnahme unterzogen werden; er muss sich fortlaufend weiterentwickeln, und das tut er. Das werden wir weiter vorantreiben. Der ÖRR hat längst verstanden, dass er ein ständig lernendes System sein muss, wenn er technisch State of the Art und am Puls der Zeit sein will. Dieser ständige Reformprozess findet über den Medienstaatsvertrag statt, der von den Ministerpräsidentinnen und ‑präsidenten verhandelt und von allen Landtagen angenommen werden muss. Zu Recht sind es bei uns die Länder, die über Sendeformate ihres Rundfunks, nicht aber über die Inhalte seiner Berichterstattung entscheiden. Denn als Lehre aus dem Nationalsozialismus darf es nie wieder ein zentrales, staatlich gesteuertes Massenmedium geben. Dass Reformen im Öffentlich-Rechtlichen notwendig sind, stellt selbstredend niemand infrage, ebenso wenig die Notwendigkeit, mehr Transparenz, strikte Compliance-Regeln und eine Stärkung und Professionalisierung der Aufsichtsgremien zu erreichen.

Für uns ist besonders wichtig, dass die Beschäftigten in den Redaktionen in ihrer Arbeit weiter gestärkt werden. Das beinhaltet natürlich die Stärkung von Mitbestimmung und die Verbesserung von Arbeitsbedingungen. Rotierende Chefredaktionen sind kein Tabu, und gespart werden kann ganz bestimmt auf den Leitungsebenen, aber eben nicht zulasten der Mitarbeitenden und der Qualität der journalistischen Arbeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Zentral für die öffentliche Debatte über den Auftrag des ÖRR sind weitere institutionalisierte Dialogformate mit den Bürgerinnen und Bürgern, wo die Nutzer/-innen ihre Bedürfnisse einbringen können und der gesellschaftliche Auftrag des Öffentlich-Rechtlichen diskutiert werden kann.

Meine Damen und Herren hier rechts außen, Sie, die in Ermangelung eigener originärer Gedanken hier die Parolen von Steve Bannon nachplappern, wollen eine Bühne für Ihr Schmierentheater bekommen. Das werden wir im Deutschen Bundestag nicht zulassen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat Dr. Petra Sitte für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)