Rede von Dr. Jan-Niclas Gesenhues Entwicklungszusammenarbeit

Dr. Jan-Niclas Gesenhues
20.10.2022

Dr. Jan-Niclas Gesenhues (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Zippelius, ich lese in Ihrem Antrag ziemlich viel über Wirtschaftsförderung an sich. Dafür, dass Sie diesen Antrag zur Entwicklungszusammenarbeit stellen, lese ich aber ziemlich wenig, nämlich genau nichts zu Menschenrechten, nichts zur Umwelt und nichts zur Partnerorientierung. Das ist ziemlich dünn für einen Antrag, den Sie zur Entwicklungszusammenarbeit stellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das entlarvt auch schon das Kernproblem der Union: Sie sieht viel zu oft die Entwicklungszusammenarbeit – das war auch in der Vergangenheit so – vor allem als Wirtschaftsförderung für heimische Unternehmen; Kollege Gava hat es gerade schon angesprochen.

Wir machen damit Schluss. Wir haben eine andere Leitschnur für unsere internationale Zusammenarbeit. Unsere Leitschnur ist: mehr globale Gerechtigkeit. Das bedeutet, dass wir uns konsequent ausrichten an den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Christoph Hoffmann [FDP])

Dabei fokussieren wir uns auf wirksame und auf gute Projekte, vor allem auch, weil die Evaluierungen gezeigt haben, dass in der Vergangenheit mit der Wirtschaft vieles nicht so gut gelaufen ist. Zum Beispiel hat das Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit Ihnen, liebe Union, ins Stammbuch geschrieben, dass die Ergebnisse oft nicht stimmen, dass die Partnerorientierung fehlt und dass oft auch die entwicklungspolitische Kompetenz der beteiligten Organisationen mangelhaft ist. Ich will mal zitieren aus einem Bericht des Deutschen Evaluierungsinstituts zu den „develoPPP.de“-Projekten. Da steht: Das Potenzial, zu übergeordneten entwicklungspolitischen Wirkungen zu führen, ist insgesamt als gering einzuschätzen. – Das ist eine vernichtende Kritik an Ihrer Politik der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, wir nehmen diese Kritik sehr ernst und passen deswegen auch die Programme der Entwicklungszusammenarbeit mit der Wirtschaft an. Gleichzeitig will ich noch mal unterstreichen: Das, was gut läuft, das sichern wir ab, zum Beispiel, indem wir mit 194 Millionen Euro pro Jahr den Titel „Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft“ auf hohem Niveau stabilisieren. Für uns ist in der Zusammenarbeit vor allem wichtig, zu betonen, dass wir die duale Berufsausbildung weltweit voranbringen, dass wir Fachkräfte qualifizieren, gerade auch im Bereich von Schlüsseltechnologien, die zum Beispiel für die Energiewende wichtig sind, und auch, dass wir die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt verbessern. Auch in diesem Politikfeld – liebe Union, da müssen Sie jetzt stark sein – braucht es die feministische Entwicklungszusammenarbeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir sagen natürlich selbstkritisch: An der einen oder anderen Stelle müssen auch wir besser werden, müssen wir die Wirtschaftspolitik, die Landwirtschaftspolitik noch stärker ausrichten auf die Ziele der Entwicklungszusammenarbeit, auf die Ziele der Vereinten Nationen. Auch da müssen wir noch mal nachbessern; aber da sind wir dran. Wir wollen die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft, mit den professionellen Partnern, in diesem Sinne intensivieren; aber wir wollen Schluss machen mit einem Gemischtwarenladen, der am Ende den Ländern des Globalen Südens ziemlich wenig bringt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich will abschließend zu einer Behauptung etwas sagen, die Sie in Ihrem Antrag aufstellen. Sie behaupten nämlich, wir würden in unserem Koalitionsvertrag kein Bekenntnis abgeben zur Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft. Ich würde Ihnen mal einen Blick in den Koalitionsvertrag empfehlen, weil genau das Gegenteil der Fall ist. Ich darf mal zitieren: „Gemeinsam mit … Unternehmen … setzen wir uns für faire und formelle Arbeitsbedingungen sowie existenzsichernde Löhne … ein.“ Oder eine andere Formulierung: „Mit Klima- und Entwicklungspartnerschaften fördern wir beidseitigen Wissens- und Technologietransfer“ und „den Ausbau erneuerbarer Energien“. Wenn Sie noch eine dritte Passage haben wollen, gebe ich Ihnen die gerne: „Wir stärken unser Engagement insbesondere für Grundbildung“, für die Fort- und Weiterbildung und für das, was Ihnen so wichtig ist, für die duale Berufsausbildung. – Genau da werden wir ansetzen. Wir werden das weiter aufbauen und in diesem Sinne die Entwicklungszusammenarbeit weiter stärken. Ihr Antrag hilft dabei in der Sache leider relativ wenig.

(Bettina Hagedorn [SPD]: Gar nicht! Der hilft gar nicht!)

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Dr. Christoph Hoffmann, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)