Rede von Uwe Kekeritz Entwicklungszusammenarbeit mit der Türkei
Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag zeigt, worum es der AfD nicht geht. Weder die Situation der Geflüchteten noch die Frage, was tatsächlich notwendig wäre, um die humanitäre Katastrophe in der sogenannten Sicherheitszone zu lindern, interessiert die AfD. Dagegen sieht die AfD jetzt wieder einmal eine gute Gelegenheit, ihren kruden Diskurs gegen Geflüchtete zu verbreiten und zu verstärken. Sie diffamiert die Betroffenen fälschlicherweise, aber wie immer, als Illegale – ich sage Ihnen: es gibt keine illegalen Menschen -
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
und zeichnet ein völlig undifferenziertes Bild von der Lage vor Ort. Die AfD missbraucht das Thema bewusst, um gegen Entwicklungspolitik schlechthin Stimmung zu machen.
Eine interessante Tatsache: Wir hatten das Haushaltsverfahren. Ausgerechnet in diesem Haushaltsverfahren beantragt die AfD die 100-prozentige Streichung der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Ich versichere Ihnen, insbesondere den Männern der AfD, dass Bildung nicht schadet.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)
Wenn Sie diesen Bildungsanspruch wahrgenommen hätten, dann hätten Sie gewusst, dass wir mit der Türkei keine bilaterale Entwicklungszusammenarbeit haben. Damit wäre Ihr Antrag hinfällig.
(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Peinlich!)
Ihr Antrag suggeriert genau das Gegenteil. Aber das spielt für Sie keine Rolle. Sie sehen in der jetzigen Situation einfach eine günstige Gelegenheit, die Entwicklungszusammenarbeit wieder mal populistisch anzugreifen. In diesem Zusammenhang ist es einfach unappetitlich und charakterschwach, aber das sind wir gewohnt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Mit ernstgemeinter Politik hat das nichts zu tun.
Auch deshalb ist die Qualität Ihres Antrags wie immer unterirdisch. Die ODA-Gelder, die in die Türkei fließen, sind für diejenigen gedacht – die Kollegen haben es schon gesagt –, die alles verloren haben: Haus, Freunde, Familienmitglieder, Zukunftsperspektiven usw.
(Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])
Sie suchen jetzt in der Türkei Schutz. Und Sie wollen diesen Menschen das Mindestmaß an Unterstützung entziehen.
(Abg. Markus Frohnmaier [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
– Herr Frohnmaier, Sie wissen doch, dass die Qualität der Antworten immer von der Qualität der Fragen abhängig ist. Denken Sie einmal darüber nach und stellen Sie Ihre Frage im Ausschuss. Dann können wir sehen, ob das Niveau Ihrer Frage besser geworden ist als bisher.
Das zeigt, dass die AfD die Grundpfeiler unseres Zusammenlebens wie Menschenrechte oder humanitäres Völkerrecht überhaupt nicht kennt.
Was wir auch ohne AfD wissen: Die aktuelle türkische Politik ist unverantwortlich. Die völkerrechtswidrige Intervention in Nordsyrien und Erdogans Politik gegenüber den Kurdinnen und Kurden sind nicht hinnehmbar. Wir verurteilen mit allen Demokratinnen und Demokraten in diesem Hause aufs Schärfste die Einschränkung der demokratischen Grundrechte in der Türkei.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN)
Leider haben sich die Bundesregierung und die EU mit dem asylrechtswidrigen Türkei-Deal erpressen lassen.
(Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])
Dieses und vieles mehr war und ist unverantwortlich und führt nun dazu, dass Deutschland und Europa lediglich Zaungäste sind, während Erdogan, Assad und Putin im wahrsten Sinne des Wortes eine Grenzüberschreitung nach der anderen begehen können.
Selbst in dieser Situation verhindert diese Bundesregierung auf EU-Ebene das Waffenembargo gegen die Türkei. Rüstungsexporte und Hermesbürgschaft an das Erdogan-System müssen sofort und zu 100 Prozent gestoppt werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Bundesregierung muss endlich die letzten Einflussmöglichkeiten nutzen, um Erdogans perfider Politik wirksam etwas entgegenzusetzen. Ich fordere die Bundesregierung auf: Nennen Sie etwas völkerrechtswidrig, wenn es völkerrechtswidrig ist, und nennen Sie es Invasion, wenn es sich um eine Invasion handelt!
Ich danke.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)