Rede von Dr. Sebastian Schäfer Erbschaftssteuer

Dr. Sebastian Schäfer
01.12.2022

Dr. Sebastian Schäfer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon erstaunlich, mit welch einem inhaltlich extrem dünnen Antrag die Union hier versucht, ein Süppchen für Millionäre und ihre Erben zu kochen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Tim Klüssendorf [SPD] – Jörn König [AfD]: Bei der Inflation ist bald jeder Millionär!)

Von wegen Leberkäs-Etage, für die gerade Sie von der CSU angeblich Politik machen wollen: In diesem Antrag geht es wieder einmal nur um die, die im Käfer-Zelt Champagner trinken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Kay Gottschalk [AfD]: Das machen die Grünen doch auch!)

Sie argumentieren, dass aufgrund der deutlich gestiegenen Immobilienpreise jetzt auch die Freibeträge beim Schenken und Erben entsprechend steigen müssten.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Sie enteignen die Kleinen!)

Dabei geht es lediglich darum, dass wir die Verfassungsmäßigkeit herstellen und Immobilien nach ihrem tatsächlichen Wert bemessen. Die Grundlage dafür hat richtigerweise die GroKo gelegt, die im Jahr 2021 im Baurecht die Immobilienwertermittlungsverordnung entsprechend angepasst hat. Jetzt geht es lediglich darum, diese Grundlage auch auf die steuerliche Bewertung zu übertragen.

Freibeträge bei Schenkungen und Erbschaften gelten ja gar nicht nur für Immobilien, wie Sie das in Ihrem Antrag suggerieren wollen, sondern für alle Vermögenswerte. Davon würde der Erbe einer Aktionärin, die in den letzten Jahren deutlich steigende Kurswerte erleben konnte, oder ein von ihr Beschenkter genauso profitieren. Aber Sie tun in Ihrem Antrag so, als wäre davon nur das sprichwörtliche kleine Häuschen der Großmutter betroffen.

Und Sie wissen doch ganz genau, dass für eine Immobilie, die nach dem Tod eines Elternteils von einem Kind übernommen und bewohnt wird, überhaupt keine Erbschaftsteuer anfällt, zumindest wenn die Immobilie nicht größer als 200 Quadratmeter ist.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Selbst wenn dieses Haus am Tegernsee oder am Bodensee steht und 3 Millionen Euro wert ist, fällt kein einziger Cent an Erbschaft- und Schenkungsteuer an.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie wissen es besser!)

Und selbst wenn die Immobilie größer ist, muss sie schon extrem wertvoll sein, damit der Freibetrag überschritten und dann tatsächlich ein wenig Erbschaftsteuer fällig wird. Bleiben wir bei unserem Haus am Tegernsee oder am Bodensee, lassen wir es diesmal 250 Quadratmeter groß sein, und gehen wir jetzt von einem Wert von 4 Millionen Euro aus – Herr Merz würde sagen: gehobene Mittelschicht –:

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Kay Gottschalk [AfD]: Was haben Sie eigentlich gegen Menschen, die fleißig sind und Geld verdient haben und Steuern bezahlt haben?)

Wenn ein Kind dieses Haus erbt und es nutzt, werden 45 000 Euro Steuern fällig, also ungefähr 1 Prozent des Wertes. Und wenn die Immobilie zur Entrichtung der Steuer veräußert werden müsste, dann kann die Steuer sogar für bis zu zehn Jahre gestundet werden. Ich bin mir sicher: Diese Sorgen hätten viele Menschen gerne. Die allermeisten Menschen erben gar nichts oder Beträge, die nicht annähernd an die Freibeträge heranreichen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Connemann aus Ihrer Fraktion ist wirklich schamlos, wenn sie in der Presse davon spricht, dass Wohneigentum für Erben jetzt zur Armutsfalle werden könne. Sie verhöhnt damit auch die soziale Marktwirtschaft, über die Sie so gerne in Ihren Sonntagsreden sprechen. Sie wissen auch ganz genau, dass in vielen Fällen Schenkungen oder Kettenschenkungen – Schenkungen alle zehn Jahre, um die Freibeträge auszunutzen – so gestaltet werden, dass gar keine Steuer fällig wird.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Ein Einfamilienhaus kann ich nur einmal übertragen!)

Wir sehen ja gerade, was bei den Notaren los ist. Da geht es nur um Schenkungen. Im Zweifel wird durch Nießbrauch der Preis gedrückt und die Steuer gespart.

In Ihrem Antrag ist auch die Rede von einer Regionalisierung der Freibeträge. Ich will das mal übersetzen: Die Wertentwicklung der Grundstücke in Deutschland war im vergangenen Jahrzehnt höchst unterschiedlich. Bayern und Baden-Württemberg sind sicherlich Bundesländer, die in großen Teilen hohe Immobilienpreise haben. Aber dies rechtfertigt doch keine höheren Freibeträge als anderswo. Warum sollte jemand in Thüringen bei Erhalt eines hohen Barvermögens mehr Steuern bezahlen als jemand in Stuttgart oder München, der denselben Wert in Form einer Immobilie, zum Beispiel eines Zinshauses, erhält?

Mit Ihrer Politik für die Champagner-Etage spalten Sie unser Land.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb kann ich für diesen Antrag, für diese dünne Suppe nur Ablehnung empfehlen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Dr. Christoph Hoffmann [FDP])

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die FDP-Fraktion spricht nun Maximilian Mordhorst.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)