Mail Außendorf MdB
23.06.2023

Maik Außendorf (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank an die demokratische Opposition an dieser Stelle, dass wir erneut die Möglichkeit haben, über die Neuaufstellung der handelspolitischen Grundsätze der Bundesregierung zu sprechen. Wir haben das ja bereits im Januar ausführlich diskutiert. Ich möchte einmal ins Gedächtnis rufen, was ich damals zu dem Thema gesagt habe – ich zitiere –:

Wir machen Handelspolitik auf Augenhöhe. Handel kann und muss mehr sein als nur vereinfachter Warenaustausch, er muss auch als Anlass … für die gemeinsame Sicherung der Lebensgrundlagen und … damit auch als Grundlage für die Wirtschaft genutzt werden …

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Für das Mercosur-Handelsabkommen haben wir im Koalitionsvertrag die Bedingungen für eine Ratifizierung festgehalten. Für uns ist klar, dass wir uns dann – und nur dann – für die Ratifizierung … einsetzen, wenn zuvor vonseiten der Partnerländer umsetzbare, überprüfbare, rechtlich verbindliche Verpflichtungen zum Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsschutz eingegangen werden und praktisch durchsetzbare Zusatzvereinbarungen zum Schutz und Erhalt bestehender Waldflächen abgeschlossen worden sind.

Meine Damen und Herren, die Union und auch die Linken wissen, dass wir das so vereinbart haben und dass darüber gesprochen wird. Trotzdem debattieren wir heute hier weiter über den Punkt.

Zu den allgemeinen Nachhaltigkeitskapiteln hat die Europäische Kommission bereits gute Leitlinien vorgelegt und diese beispielsweise in ein Handelsabkommen mit Neuseeland aufgenommen. Für die Verankerung von effektivem Waldschutz in einem Handelsabkommen gab es bisher keine Blaupause. Deswegen haben wir als grüne Bundestagsfraktion dazu ein Gutachten in Auftrag gegeben. In dem Zuge hat Professor Holterhus für uns einmal den Status quo beleuchtet und Vorschläge für die Umsetzung gemacht. Ich bin froh, das hier einmal kurz skizzieren zu dürfen:

Der erste Punkt, den Professor Holterhus festgestellt hat, ist, dass im Status quo beim jetzigen Verhandlungsstand Nachhaltigkeit und Waldschutz nicht festgehalten sind, es also dringend Handlungsbedarf gibt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weiterhin – das ist auch noch mal wichtig festzuhalten – hat er festgestellt, dass das nicht nur eine politische Zielsetzung ist, die besonders wir als Grüne verfolgen, sondern dass die Implementierung eines Waldschutzinstrumentes auch unionsrechtlich verpflichtend ist. Das Unionsrecht schreibt klar vor, dass die Kommission sich auch international für Menschenrechte, für Nachhaltigkeitskapitel und auch für den Waldschutz einsetzen muss.

Der Lösungsvorschlag, den Professor Holterhus vorgelegt hat, ist relativ einfach. Er basiert darauf, ein zusätzliches Kapitel in das Handelsabkommen aufzunehmen, ohne den Rest verändern zu müssen, und Waldschutzziele in den bestehenden allgemeinen Streitbeilegungsmechanismus zu integrieren. Damit wäre dann beispielsweise bei Verfehlung der Ziele die Aufhebung von Zollerleichterungen möglich.

Ein weiterer Punkt – denn wir wollen ja Handelspolitik auf Augenhöhe machen – ist: Wir haben auch untersuchen lassen, ob Reziprozität, also Gegenseitigkeit, möglich ist. Und das ist es. Ja, wir können auch gegenseitig Waldschutzziele, Klimaschutzziele und Nachhaltigkeitsziele so verankern, dass sie dem Streitbeilegungsmechanismus unterliegen.

Wenn Sie in letzter Zeit die Nachrichten verfolgt haben, dann haben Sie auch festgestellt: Der brasilianische Präsident Lula da Silva möchte an dem Abkommen Verbesserungen vornehmen. Wir stellen gerade fest – das ist vielleicht auch etwas bedenklich –, dass er nicht zum EU-Lateinamerika-Gipfel kommt und die nächste Verhandlungsrunde aufgekündigt wurde. Das zeigt aber auch umso mehr: Die Kommission hat hier eine Aufgabe und muss auf Südamerika zugehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Mercosur-Staaten zählen zu den befreundeten demokratischen Staaten auf gleicher Wertebasis. Natürlich ist es angesichts der geopolitischen Situation wichtig, die Beziehungen auf allen Ebenen zu intensivieren. Die oft zitierte Zeitenwende bestärkt dieses Argument. Wir müssen aber gleichzeitig auch alle Hebel nutzen, um die Klimakrise zu bekämpfen und nachhaltig zu wirtschaften. Denn Klimagerechtigkeit und eine Weltwirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen sind die Voraussetzungen für Frieden und geopolitische Stabilität.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum Schluss. Moderne Handelsabkommen bieten erhebliche Chancen für die wirtschaftliche Zusammenarbeit bei erneuerbaren Energien, bei Rohstoffen, bei der Diversifizierung und beim Umweltschutz. Diese wollen wir nutzen und, wie in der Koalition vereinbart, durch verbindlichen Waldschutz ergänzen. Es braucht deshalb ein eigenständiges Waldschutzkapitel oder eine Neufassung der Zusatzvereinbarung

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Ja, ganz neu verhandeln! Noch mal 20 Jahre!)

inklusive sanktionsbewehrter Streitbeilegungsmechanismen, sodass effektive Maßnahmen zum Waldschutz endlich festgeschrieben werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD )

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Julia Klöckner.

(Beifall bei der CDU/CSU)