EU-Prospektverordnung und Finanzmarkt

28.06.2018

Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bevor wir in die Details dieses Gesetzgebungsaktes einsteigen, möchte ich noch einmal klarstellen, worum es hier eigentlich geht: Es ist unsere Aufgabe, eine ausgewogene Lösung für das Spannungsverhältnis zwischen unbürokratischen Finanzierungsmöglichkeiten für vor allem kleine und mittelständische Unternehmen einerseits und einem effektiven Investoren- und Anlegerschutz andererseits zu finden.

Nur um das noch mal klarzustellen: Die Prospektpflicht wurde aus gutem Grund eingeführt. Die darin enthaltenen Informationen sollen den Anlegern dienen. Darum stehen wir einer Anhebung der Schwellen, ab wann Emittenten einen Prospekt verfassen und den Anlegern zur Verfügung stellen müssen, sehr kritisch gegenüber.

Natürlich ist uns bewusst, dass die Erstellung eines Prospekts aufwendig ist. Und natürlich wird durch die Existenz eines Prospekts kein absoluter Schutz geschaffen. Aber da es keine Alternativen gibt, die eine mindestens so hohe Rechtssicherheit – im Übrigen auch für die Emittenten – schaffen, wollen wir nicht zulassen, dass sie durch Prospektfreiheit ausgehöhlt wird.

Aus unserer Sicht wurde durch die Entscheidung, hier an kleinen – teilweise symbolischen – Schrauben zu drehen, versäumt, die Gesetzeslage um bürokratische Hürden zu entschlacken und gleichzeitig den nötigen Schutz für vor allem Kleinanleger zu verbessern.

Ich will hier kurz auf zwei Themen eingehen:

Erstens. Wir müssen Vergleichbarkeit von Produkten durch einheitliche und aufschlussreiche Informations­standards schaffen.

Prospekte sind oft Hunderte von Seiten lang und dienen in erster Linie gefühlt dazu, die Haftung der Emittenten zu begrenzen. Die Verfasser müssen sie viel klarer und kürzer machen.

Prospekte haben auch den Zweck, die Anleger im Falle, dass etwas schiefgeht, sowohl über das Produkt als den Emittenten zu informieren, um Wiedergutmachung einklagen zu können.

Die verkürzten Informationsblätter, die, wie hier vorgeschlagen, als Ersatz gelten sollen, können das nicht liefern. Ihre Aufgabe ist es vor allem, Anleger vor dem Kauf von Finanzprodukten über die Eckdaten des Produkts zu informieren. Hier besteht aber das Problem, dass es viel zu viele verschiedene Versionen dieser Kurzinformationen gibt: VIB, WIB, Basisinformationsblatt, PRIIPs KID usw. Ein Vergleich zwischen Produkten ist damit also unmöglich. Hier müssen wir unbedingt Einheitlichkeit schaffen, sonst ist niemandem geholfen, Anlegern und Emittenten nicht. Dazu gehören auf jeden Fall auch Angaben über die Nachhaltigkeit und sozialen Standards von Produkten und deren Emittenten in beiden, Kurzinformationen und Prospekten.

Zweitens. Wir müssen die Interessenkonflikte im Vertrieb endlich lösen. Interessenkonflikte im Vertrieb müssen ein für alle Mal gelöst werden.

Es ist seit Jahren bekannt, dass die größten Probleme für Privatanleger durch den bei uns üblichen ganovenhaften Vertrieb zustande kommen. Auch der P&R-Skandal hat wieder gezeigt, dass den Menschen immer wieder Produkte angedreht werden, die einfach falsch für sie sind. Wir müssen den Provisionsvertrieb unterbinden, damit ungeeignete und schlechte Produkte nicht mehr in den Portfolios der Sparer landen.

Ich hoffe und appelliere an Sie, dass Sie die bevorstehende Evaluierung des Kleinanlegerschutzgesetzes ernst nehmen und wir die Chance nutzen, klare und einheitliche Regeln für Finanzprodukte, Informationsstandards und Vertrieb zu schaffen, wo sie nötig sind. Wir müssen aufhören, an kleinen Schrauben zu drehen, um den Interessen einzelner Gruppen nachzukommen. Denn dabei verlieren wir die große Gruppe aller Teilnehmer – Menschen und Unternehmen – an Finanzmärkten und der Realwirtschaft aus den Augen und helfen im Endeffekt niemandem.