Rede von Omid Nouripour EU und Israel

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30.01.2020

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Vertreter des israelischen Staates ist im Mai letzten Jahres von den deutschen Medien gefragt worden, warum er, wie alle anderen Vertreter des Staates Israel, nicht mit der AfD sprechen möchte. Er hat daran erinnert, dass er wenige Tage zuvor im Konzentrationslager Sachsenhausen zu Besuch war. Dann sagte er – ich zitiere –:

Ich finde es sehr schwierig, mir irgendeine Art von Gespräch mit Elementen vorzustellen,

(Beatrix von Storch [AfD]: Elemente? Unglaublich!)

die irgendeine Form von Nostalgie für diese Vergangenheit verspüren.

Ich finde, er hat recht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Adorno hat gesagt: In rechtsradikalen Bewegungen macht die Propaganda die Substanz der Politik aus. – Auch er hat recht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD])

Ihnen geht es nicht um den Schutz des Staates Israel oder seiner Bürgerinnen und Bürger, und das wissen auch unsere israelischen Freunde, wie wir gerade gehört haben. Ihnen geht es darum, die Erinnerungskultur in diesem Land zu diffamieren. Das tut aus der Mitte der Partei heraus Ihr Parteikollege Björn Höcke stellvertretend für viele andere, die ihm zujubeln, und stellvertretend für eine Jugendorganisation, die sich selbst Höcke-Jugend nennen will. Er diffamiert, indem er das, was wir in dieser Woche so würdig im Hohen Hause getan haben, als „dämliche Bewältigungspolitik“ bezeichnet.

Sie sind in einem braunen Sumpf versunken, aus dem Sie nicht mehr herauskommen können. Das ist auch der Grund, warum die sogenannten Gemäßigten mittlerweile zunehmend aus Ihrer Fraktion austreten. Sie haben ein Monster geschaffen, das Sie gar nicht stoppen wollen.

Schauen Sie sich an, was diese Woche zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz auf Ihrer eigenen Facebook-Seite zu lesen ist – ich zitiere Übles –: „Schluss mit dem Gejammer“, „Es reicht“, „Wir haben mit dem Scheiß nichts zu tun“, „Immer dieses Gelaber über die Juden, ich kann es nicht mehr hören“, „Den Holocaust gab’s doch gar nicht.“.

(Beatrix von Storch [AfD]: Irgendwelche anonymen Quellen zu zitieren, ist wirklich schwach, Herr Kollege! Das ist einfach schwach! Von irgendeiner Facebook-Seite irgendwas zu nehmen, ist einfach schwach! – Dr. Götz Frömming [AfD]: Wahrscheinlich selber geschrieben!)

Ich sage Ihnen jetzt – hören Sie bitte einmal zu –: Der Grund, warum Menschen sich trauen, so einen strafbaren, menschenverachtenden, hetzerischen Mist zu schreiben, ist auch Ihre Art, mit dem Thema umzugehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Beatrix von Storch [AfD]: Waren wahrscheinlich Ihre Azubis!)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege Nouripour, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Friedhoff zu?

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein, herzlichen Dank.

(Jürgen Braun [AfD]: Mit Argumenten haben Sie es ja nicht so!)

Das Resultat von Ihrem „Vogelschiss“, Ihrer Beschwichtigungspolitik ist genau die Rhetorik, die ich gerade beschrieben habe. Und dann spielen Sie das Unschuldslamm.

Ich zitiere noch einmal Adorno: Es ist ein altbewährtes und bis heute beliebtes Verfahren von rechtsradikalen Bewegungen: die Gefahren von rechts verharmlosen, den Entlarver selbst als totalitären Moralisten und Idealisten hinstellen. – Genau das tun Sie täglich. Ich warte eigentlich stündlich darauf, dass jemand von Ihnen aufsteht und sagt: Ein links-grün versiffter Steuerberater von Herrn Gauland ist schuld.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wenn der Antisemitismus in Deutschland zunimmt, wenn so schreckliche Ereignisse wie in Halle passieren, dann haben diese Stimmen und diese Rhetorik daran auch einen Anteil.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Früher gab es ja auch keinen in Deutschland! 2013!)

Und wer so tut, als wäre der Antisemitismus ein rein importiertes Problem – noch mal: es gibt dieses Problem – aus dem Nahen Osten, will nur eines, nämlich seinen eigenen Beitrag zur Wiedererstarkung des Antisemitismus in der Mitte unserer Gesellschaft verschleiern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ich kann Ihnen versichern: Alle demokratischen Parteien in diesem Haus werden Ihnen das nicht durchgehen lassen. Wir haben eine verdammt große, besondere Verantwortung gegenüber dem jüdischen Leben in Deutschland und dem Staat Israel. Wir alle werden nicht zulassen, dass Sie die Erinnerungskultur in diesem Land in den Dreck ziehen. Ich schwöre Ihnen als deutscher Moslem bei meinem Gott, dass wir das nicht zulassen werden. Das sind wir Deutsche den Opfern des Holocausts und allen weiteren Opfern der Nazidiktatur in Deutschland schuldig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Ich erteile das Wort zu einer Kurzintervention dem Kollegen Dietmar Friedhoff, AfD-Fraktion.