Rede von Philip Krämer EUFOR-ALTHEA-Einsatz in Bosnien und Herzegowina

08.07.2022

Philip Krämer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Westbalkan und die benachbarten Staaten sind nach wie vor von ethnischen Spannungen betroffen. Nicht erst seit dem russischen Angriff auf die Ukraine treten die Konfliktlinien und diametralen geopolitischen Interessen zutage, seit dem 24. Februar nun aber im Besonderen.

Nationalismen erleben aktuell trotz aller EU-Beitrittsperspektiven, Abkommen und Westannäherung erneut Konjunktur, wie jüngst die Ausschreitungen nordmazedonischer Nationalisten in Skopje deutlich gemacht haben. Zwar hat das Zusammenspiel aus Friedensabkommen, Friedenstruppen, politischem Aufbau und einer europäischen Zukunftsperspektive das Land seit dem Daytoner Abkommen relativ befriedet. Schwache staatliche Strukturen gefährden jedoch weiterhin die Stabilität des multiethnischen Staates. Die separatistischen Bemühungen der Republik Srpska, gestützt von Serbien und seiner traditionellen Schutzmacht Russland, legen schon seit Längerem die Lunte an diese explosive Gemengelage. Der letztjährige Rückzug der Republik Srpska aus der gemeinsamen Armee, dem Justizsystem und dem Steuerwesen, Provokationen durch verfassungswidrige paramilitärische Paraden, Geschichtsrevisionismus und anderes destabilisierendes Verhalten lassen uns besorgt zurück und ermahnen uns zur Wachsamkeit.

Der reibungslose Ablauf der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Oktober muss unter allen Umständen gewährleistet sein. Von der Legitimität dieser Wahlen als freie, unabhängige und gleiche demokratische Willensbekundung hängen die Zukunft und die territoriale Einheit Bosnien-Herzegowinas ab. Das Zündeln Dodiks in den vergangenen Monaten, die weiteren Sezessionsbestrebungen der serbischen Teilrepublik sind Vorzeichen eines weiteren Krieges in Europa.

Ein solcher Krieg wäre eine große Tragödie für alle Beteiligten. Es gibt in ihm nichts zu gewinnen außer menschliches Leid auf allen Seiten, und dies kann und wird das vereinte Europa der Demokratien, der souveränen Staatlichkeit und der Menschenrechte nicht zulassen. Der einzige Nutzen eines solchen Krieges wäre eine weitere Destabilisierung des Westbalkans und Europas. Das muss Dodik und seinen Kumpanen klar sein. Mit einer Eskalation machen sie sich vollends zu Putins Marionetten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Für uns westeuropäische Staaten hat dieses bedrohliche Szenario jedoch weitere Implikationen. Nicht nur Russland hat hier seine Hände im Spiel. China schließt diese Region systematisch an seine „Belt and Road“-Initiative an und hat zuletzt Serbien mit der Exportvariante seines modernsten Flugabwehrsystems beliefert. Hier kann durchaus von einer einseitigen Aufrüstung gesprochen werden.

Aber all jene, die hier mit Europas Zukunft spielen, sollten sich einer Sache bewusst sein und sich hier auch keinen falschen Illusionen hingeben: Wir sehen das, wir verstehen die Implikationen, und dennoch stehen wir zu unserer Verantwortung als Teil der europäischen Familie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir werden keinen weiteren Angriffskrieg oder ethnonationalistischen Völkermord in Europa zulassen. Eine erneute Mandatierung von Althea ist ein Anfangsbeitrag dazu, einem solchen Szenario bereits jetzt präventiv zu begegnen. Daher werben wir heute für dieses Mandat, meine Kolleginnen und Kollegen.

Als grüne Fraktion haben wir EUFOR Althea stets unterstützt und sind der Meinung, dass dieser Stabilität bringende Einsatz fortgeführt und durch deutsche Beteiligung gestärkt werden muss. Über die Präsenz mandatierter Truppen und Mediation im Land hinaus schafft Althea Grundlagen für eine friedliche Zukunft in Bosnien und Herzegowina. Die Soldatinnen und Soldaten bilden Minenräumteams aus, und es wird eine Eingreifreserve vorgehalten, die im Notfall schnell mobilisiert werden kann, um etwaige Eskalationen einzudämmen.

Ich bedanke mich schon jetzt für den Einsatz der beteiligten Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die schnell und flexibel und trotz aller weiteren Belastungen über den Sommer verlegt werden und dort dann in einem zeitlich sehr engen Korridor ihre Aufgaben werden übernehmen können.

Neben dem erneuten Einsatz der Bundeswehr im Rahmen des Althea-Mandats müssen wir uns aber auch intensiv damit beschäftigen, wie die Region weiter politisch stabilisiert werden kann. Russland könnte im November die Verlängerung des EUFOR-Mandats im UN-Sicherheitsrat blockieren. Für diesen Fall müssen wir vorbereitet sein.

Eine Möglichkeit, mit der man Russland im Sicherheitsrat umgehen könnte, liegt auf der Hand: Die EU sollte eine Einladung seitens Bosnien und Herzegowina erwirken, die EUFOR-Mission fortzusetzen. Dies sollte vor dem Hintergrund der jüngst geschlossenen Vereinbarung möglich sein.

Meine Damen und Herren, ich werbe für die Unterstützung dieses Mandates, das im geostrategischen Kontext ein weiterer Baustein ist, gerade auch vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Der Kollege Knut Abraham hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)