Rede von Deborah Düring Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung

Deborah Düring MdB
01.12.2023

Deborah Düring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Glück ist die Zeit der Rechten vorbei,

(Dr. Malte Kaufmann [AfD]: Das fängt gerade erst an! In ganz Europa!)

und wir kommen zum Thema „Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Die Kollegen haben es gerade schon gesagt: Wir stehen solidarisch an der Seite der Ukraine – das haben wir immer wieder auch in Debatten hier klargemacht –, jetzt und auch in Zukunft. Und genau deswegen beschäftigen wir uns eben nicht nur, aber auch in dieser Debatte hier mit der nachhaltigen Finanzierung des Widerstandes in der Ukraine.

(Dr. Harald Weyel [AfD]: Eine weitere Kriegskasse also!)

Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung leistet in der Ukraine unverzichtbare Finanzierungen, insbesondere in Schlüsselbereichen – mein Kollege hat es gerade schon erwähnt –, beispielsweise in Bezug auf die Energieversorgung, die Nahrungsmittelsicherung, aber auch den Wiederaufbau von kritischer Infrastruktur wie dem Schienennetz. All dies trägt maßgeblich zum Widerstand gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine bei, und wir werden dafür sorgen, dass diese Unterstützung so lange anhält, wie sie benötigt wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt allerdings auch viele weitere Krisen in dieser Welt, die Finanzierung nötig machen. Aufgrund dieser multiplen Herausforderungen soll nun unter anderem der Tätigkeitsbereich der Bank auf Subsahara-Afrika und den Irak erweitert werden. Wir Grüne unterstützen das ausdrücklich.

Entscheidend dabei ist, dass die Finanzierung zur Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung beiträgt. Das bedeutet, dass die Bank eine Strategie verfolgen muss, die auf der einen Seite soziale Gerechtigkeit und gleichzeitig Nachhaltigkeit und Geschlechtergerechtigkeit gewährleistet.

Dazu sind aus meiner Perspektive zwei Dinge von besonderer Bedeutung:

Erstens. Es braucht eine ganzheitliche Herangehensweise. Die Weltbank hat kürzlich eine Reform eingeführt. Sie will nun den Schutz von sogenannten globalen öffentlichen Gütern wie Klima, Biodiversität und Gesundheit stärken.

(Dr. Harald Weyel [AfD]: Luftschlösser aller Art!)

Diese ganzheitliche Herangehensweise muss auch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung übernehmen.

(Beifall der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Insbesondere muss sie vermehrt für Klima- und Biodiversitätsschutz und Ernährungssouveränität in Subsahara-Afrika und dem Irak investieren.

(Beifall der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Harald Weyel [AfD]: Dafür muss sie gehijackt werden, ja!)

– Sie verstehen das ja nicht so ganz. – Aber wenn wir Klima- und Ernährungssouveränität auf der einen Seite stützen, dann machen wir die Länder klimaresilient, und das führt am Schluss dazu, dass Entwicklung nachhaltig wird. Das ist der Weg, den wir gehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Harald Weyel [AfD]: Schöne neue Welt! Nichts dazugelernt!)

– Wenn Sie mir zuhören würden, dann würden Sie vielleicht auch was dazulernen.

Zweitens. Es braucht höchste Transparenzstandards sowie gut funktionierende Rechenschafts- und Beschwerdemechanismen, übrigens nicht nur für diese Bank, sondern im internationalen Finanzbereich insgesamt. Die Bank muss sicherstellen, dass ihre Entscheidungsprozesse transparent und nachvollziehbar sind. Es ist entscheidend, dass die Öffentlichkeit darüber informiert ist, wie die Projekte umgesetzt werden und welchen Einfluss sie auf die betroffenen Gemeinschaften haben. Es ist auch relevant, dass die betroffenen Gemeinschaften vorab konsultiert werden und ein Mitspracherecht haben bei den Projekten. Das ist der Weg, den wir gemeinsam gehen müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es bleibt von grundlegender Bedeutung, die konkreten entwicklungspolitischen Herausforderungen und Auswirkungen der finanzierten Projekte zu bewerten. Es reicht eben nicht aus, nur über die Höhe der Finanzierung zu reden, sondern die Bank muss ihren Mehrwert anhand der messbaren Auswirkungen nachweisen, und das gilt insbesondere für den Privatsektor. Jetzt weiß ich ja, dass es hier einige Fraktionen gibt, die den Privatsektor immer hoch loben.

(Beifall des Abg. Frank Müller-Rosentritt [FDP])

– Ja. – Aufpassen: Der Privatsektor kann positiv sein; die Annahme jedoch, dass privatwirtschaftliche Förderung immer und automatisch zu besseren Lebensbedingungen vor Ort führt, ist falsch, nachweislich falsch.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN und des Abg. Bernhard Daldrup [SPD])

Sie wurde widerlegt von Evaluierungsinstituten wie dem DEval und in zahlreichen Studien von Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

Ich weiß, dass die Union – ich höre es auch von der AfD – dogmatisch daran glaubt, dass es einen Automatismus gibt. Sie haben das auch in Ihrem Antrag zum Global Gateway, den wir heute auch diskutieren, noch einmal klargemacht. Sie stellen die Interessen der Unternehmen in den Fokus; aber eigentlich müssten wir doch die Auswirkungen vor Ort in den Fokus stellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Harald Weyel [AfD]: Ohne Unternehmen kein Geld!)

Das ist meiner Meinung nach das Grundproblem in Ihrem Antrag. Der Privatsektor agiert grundsätzlich gewinnorientiert. Er hat die Entwicklungsziele nicht als Priorität, und daher braucht es eben klare Kriterien für die Finanzierung von privaten Projekten. Beispielsweise sollten wir im Bereich der Gesundheit und der Bildung nicht private Projekte finanzieren, sondern wir sollten dafür sorgen, dass Staaten unterstützt werden beim Auf- und Ausbau von öffentlicher Daseinsvorsorge. Das ist doch der Weg, den wir gehen müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zuletzt will ich noch betonen: Für uns in der Koalition ist es sehr relevant, dass der Schutz der Schuldentragfähigkeit der Partnerländer elementar ist. Laut dem IWF sind mehr als die Hälfte der Niedrigeinkommensländer in Subsahara-Afrika bereits überschuldet oder haben ein hohes Überschuldungsrisiko. Ja, Entwicklung braucht Finanzierung, auch Kredite. Allerdings muss sichergestellt werden, dass die Kreditvergabe der Banken in dieser Region nicht zur Überschuldung beiträgt. Wenn die Bank ein entwicklungspolitisches Mandat hat, muss sie auch günstige Kredite und auch Zuschüsse anbieten, um die Schuldentragfähigkeit der Partnerstaaten zu erhalten.

In einer fragilen und globalisierten Welt ist internationale Zusammenarbeit wichtig, ist internationale Finanzierung wichtig. Aber lassen Sie uns daran arbeiten, dass die nachhaltigen Entwicklungsziele als Leitbild im Fokus stehen und dass es strenge Qualitäts- und Transparenzstandards gibt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Das Wort hat Janine Wissler für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)