Rede von Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Europäische Sozialcharta
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht nur in diesen Zeiten wichtig – es ist schon lange wichtig; 1961 wurde die Sozialcharta verabschiedet –, aber gerade in diesen globalisierten Zeiten, Sozialpolitik und soziale Rechte nicht nur national zu denken, wie das die AfD macht, sondern auch international über Ländergrenzen hinweg.
Erstens. Wir haben das in der Europäischen Union. Wir haben vor Kurzem die Europäische Säule sozialer Rechte verabschiedet. Das war ein wichtiger Schritt, weil die Europäische Union nicht nur eine Wirtschaftsunion ist, sondern auch eine soziale Union.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es ist jetzt wichtig, diese Säule auszufüllen, zu konkretisieren. Deswegen hatte ich jetzt auch die Maske zur EU-Präsidentschaft Deutschlands angelegt, weil das eigentlich ein wichtiges Projekt dieser Präsidentschaft sein müsste. Aber darüber werden wir an anderer Stelle noch einmal diskutieren.
Zweitens. Die Europäische Sozialcharta geht darüber hinaus. Da geht es nicht nur um die Europäische Union, sondern um Europa in den geografischen Grenzen. Da ist dann auch die Türkei dabei; da ist Russland dabei. Es ist wichtig, gerade auch mit diesen Ländern über soziale Rechte zu diskutieren. Wir sind da eigentlich sehr viel stärker, und es ist wichtig, gerade mit diesen anderen Ländern ein gemeinsames Fundament an sozialen Rechten zu finden, damit auch dort soziale Menschenrechte gelten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD] und Jutta Krellmann [DIE LINKE])
Wir haben – drittens – vor Kurzem, vor wenigen Wochen, hier in diesem Bundestag die SDG diskutiert, die globalen Nachhaltigkeitsziele: 17 Ziele, von denen 7 Ziele soziale Ziele sind, auf globaler Ebene vereinbart und geltend für alle Länder, also auch für Deutschland. Nun sagt der Bundesrat zu Recht in der Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf, dass wir uns doch den meisten Zielen, bei denen die Bundesregierung Vorbehalte hat, in der Europäischen Säule sozialer Rechte und auch bei den SDG schon verpflichtet haben. Er sagt insbesondere, dass vor diesem Hintergrund der Ausschluss der Artikel 30 und 31 weder für schlüssig begründet noch für sachgerecht gehalten wird. Dem können wir uns voll und ganz anschließen. Auch Kollegin Dagmar Schmidt von der SPD hat diese Artikel angesprochen. Artikel 30, der Schutz gegen Armut und soziale Ausgrenzung, findet sich in Ziel 1 der SDG, und Artikel 31 – das Recht auf Wohnen – taucht in Ziel 11 der SDG auf, taucht aber auch in der Europäischen Säule sozialer Rechte auf.
Also: Es wäre Ihnen überhaupt kein Zacken aus der Krone gefallen, zumindest diese beiden Vorbehalte nicht zu machen
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
und die revidierte Europäische Sozialcharta tatsächlich komplett zu ratifizieren; das wäre vorbildlich gewesen. Auch deswegen werden wir die beiden Anträge der Linken unterstützen.
Wir werden aber auch den Gesetzentwurf unterstützen; denn es ist wichtig, 24 Jahre nach der Revision tatsächlich ein Zeichen zu setzen und – auch wenn wir da spät dran sind; aber besser spät als nie – die revidierte Europäische Sozialcharta zu ratifizieren. Deswegen werden wir dem zustimmen. Vorbildlich war das leider nicht; aber es ist trotzdem ein wichtiger Schritt.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dagmar Schmidt [Wetzlar] [SPD])
Vizepräsidentin Claudia Roth:
Vielen Dank, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn. – Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Angelika Glöckner.
(Beifall bei der SPD)