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27.04.2023

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Throm, eigentlich wollte ich eine nette Rede der Union gegenüber halten –

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das würde uns sehr wundern!)

nicht ganz einfach nach Ihrer Rede; aber ich versuche es trotzdem. Denn, ganz ehrlich, wir brauchen Sie bei diesem Thema.

Wenn man den Präsidenten des Zentralverbands des Deutschen Handwerks anhört, der diesen Gesetzentwurf kommentiert, dann stellt man fest, dass er nicht nur sagt: „Eigentlich müsste man noch mehr von dem machen, was die Ampel gerade vorschlägt“, sondern dass er vor allen Dingen auch sagt: „Was Deutschland ganz dringend braucht, ist eine Willkommenskultur.“

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wir brauchen eine Willkommenskultur, die die Menschen, die in unser Land kommen, einlädt, willkommen heißt und eben kein Klima schafft, das Ressentiments schürt –

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ressentiments gegenüber denen, die wir „irgendwie nicht haben wollen“, Ressentiments immer wieder gegenüber denjenigen, die vielleicht hierhinkommen könnten, um uns auszunutzen.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Mann, Mann, Mann!)

Ich glaube, Sie haben den Kern eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes nicht verstanden,

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Sie haben es nicht verstanden!)

wenn Sie diese Ressentiments immer wieder schüren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie haben eine ganze Menge nicht verstanden bei dem Blödsinn, den Sie hier erzählen!)

Die Menschen, die als Fachkräfte zu uns kommen, haben einen Arbeitsplatz. Sie zahlen Steuern, sie zahlen Sozialversicherungsbeiträge, und sie stärken am Ende unsere Sozialsysteme, wenn sie hierhinkommen und hier arbeiten.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Da hat jemand Fachkräfte nicht verstanden!)

Darum geht es im Kern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich komme zu dem, was Sie immer wieder machen und was Sie auch in der Debatte um die Staatsangehörigkeit wieder machen. Wenn man ein modernes Einwanderungsland sein will, gehört es dazu, dass man Menschen, die hierhinkommen, um hier zu arbeiten, auch Perspektiven bietet. Dann kann man nicht vom „Verramschen von Pässen“ sprechen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie machen das doch!)

Dann kann man nicht Worte wie „Black Friday“ nutzen, was im Kern auch noch eine rassistische Wortwahl ist, wenn man das zuspitzen muss.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie machen das doch! So ein Quatsch! Was fällt Ihnen eigentlich ein? Menschenskinder!)

Ja, da schüren Sie Stimmungen gegenüber den Menschen, die hier schon lange leben,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

die hier etwas leisten, die Steuern zahlen, die hier arbeiten und die etwas zu unserem Gemeinwesen beitragen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: So ein Schwachsinn!)

Das ist genau die Kultur, die dazu führt, dass sich Menschen dann eben doch für ein anderes Land entscheiden und am Ende nicht für Deutschland.

Herr Merz, wir beide waren gemeinsam letztes Jahr beim Tag der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Danach kamen mehrere IHK-Präsidenten zu mir und haben gesagt: Danke, dass Sie über das Thema Fachkräfteeinwanderung gesprochen haben.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Können Sie bitte mit der Union reden?

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Gerade Sie!)

Denn wir brauchen das so dringend.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das glaubt sie selber nicht! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Märchenstunde, oder was?)

– Die Wahrheit ist manchmal hart zu ertragen.

Die haben auch zu mir gesagt: Streichen Sie das Wort „Fach“ bei Fachkräften aus Ihrem Wortschatz. Wir brauchen tatsächlich in allen Bereichen Arbeitskräfte, die zu uns kommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wir können in den Hotels die Bars nicht mehr offen halten.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Also geht es Ihnen gar nicht um Fachkräfte!)

Wir können grundlegende Dinge nicht mehr leisten. Unternehmen entscheiden sich eher, ihre Angebote zu reduzieren, weil sie keine Arbeitskräfte mehr haben.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das kann man festhalten: Den Grünen geht es nicht um Fachkräfte!)

Wer mit offenen Augen durch unser Land läuft, der sieht überall die Warnzeichen. Die Kölner Verkehrsbetriebe müssen das Angebot reduzieren, weil sie kein Personal mehr haben. Auf der Friedrichstraße haben die Läden riesige Schilder vor der Tür stehen, auf denen steht: Wir suchen Verkäufer/-innen.

(Zuruf von der CDU/CSU: 2,5 Millionen Arbeitslose in diesem Land! – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: 84 Millionen Menschen leben in Deutschland!)

In Stralsund hängt an jedem Restaurant ein Schild: Wir suchen Arbeitskräfte, die hier mithelfen. An jeder Baustelle in Mecklenburg-Vorpommern steht ein Schild: Wir suchen Fachkräfte. – Das ist die Folge von 16 Jahren Ihrer Politik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Sie ruinieren den deutschen Wirtschaftsstandort, wenn Sie so weitermachen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nein! Das machen Sie! Sie mobilisieren doch gar keine Arbeit hier!)

Ihre Politik ist wirtschaftsschädlich. Sie kostet die deutsche Wirtschaft jedes Jahr 86 Milliarden Euro, weil Sie nicht in der Lage sind, anzuerkennen, was uns jeder mittelständische Unternehmer in diesem Land immer wieder sagt: Laden Sie die Menschen ein.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Wie viele Millionen Arbeitsplätze sind denn neu entstanden?)

Wir brauchen sie hier, und sie müssen Teil unserer Gesellschaft werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich bin dankbar, dass es jetzt endlich eine Bundesregierung gibt, die schlichtweg die Realität anerkennt,

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Die Menschen sind sehr davon überzeugt!)

die schlichtweg das Notwendige tut. Wenn man Ihre Reden hier hört, kann man nur sagen: Es ist gut, dass eine Ampel dieses Land regiert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Denn offensichtlich ist es nur in einer Regierung, an der die Union nicht beteiligt ist, möglich, dass wir ein modernes Einwanderungsgesetz in diesem Land bekommen,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Haben Sie mal Ihre Umfragewerte angeguckt?)

ein Einwanderungsgesetz, das diejenigen besser unterstützt, die gut qualifiziert sind, die einen anerkannten Berufsabschluss haben – da senken wir die Hürden –, ein Einwanderungsgesetz, das aber eben auch auf Berufserfahrung setzt.

Warum sollte ein Unternehmer nicht in der Lage sein, selber zu entscheiden, dass die Berufserfahrung, die eine ausländische Fachkraft mitbringt,

(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Berufserfahrung! Interessant!)

in seinem Unternehmen einen Mehrwert schafft? Warum sollte ein Unternehmer eine Fachkraft beschäftigen, die er nicht braucht? Haben Sie so wenig Vertrauen in das deutsche Unternehmertum? Das ist doch Unfug, was Sie hier unterstellen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja, und wenn er sie dann nicht mehr beschäftigt? Dann kümmert sich der deutsche Sozialstaat drum, oder was? Sie haben doch gar keine Lösungen! Nur Sprechblasen!)

Das Einzige, was wir machen, ist Entbürokratisierung, Vereinfachung, Hürden senken, und das müsste die Union eigentlich wollen.

(Zuruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn Sie sich gegen dieses Einwanderungsgesetz entscheiden, dann entscheiden Sie sich gegen die deutsche Wirtschaft,

(Widerspruch bei der CDU/CSU – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ach Quatsch! Wir entscheiden uns für bessere Gesetze, aber doch nicht für diesen Blödsinn hier, den Sie vortragen!)

dann entscheiden Sie sich gegen ein modernes Land, dann stellen Sie Ideologie über Vernunft. Das kann ich Ihnen wirklich nicht raten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das sagen ausgerechnet die Grünen! Mann, ist das peinlich! Unglaublich! Diese faktenfreien Erzählungen!)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächste Rednerin: für die Fraktion der AfD Gerrit Huy.

(Beifall bei der AfD sowie des Abg. Robert Farle [fraktionslos])