Rede von Bruno Hönel Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Bruno Hönel MdB
05.09.2023

Bruno Hönel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin, gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. – Herr Bollmann, die Würde des Menschen ist unantastbar. So steht es in Artikel 1 unseres Grundgesetzes. Das bezieht sich natürlich auch auf transsexuelle Menschen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Sie sollten sich entschuldigen bei den betroffenen Personen für diese abgrundtief verachtungswürdige Beleidigung, die Sie heute ausgesprochen haben. Es ist gut, dass die Bundesregierung im Kabinett das Selbstbestimmungsgesetz beschlossen hat, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerechte Chancen für unsere Jüngsten – das ist ein Ziel, das diese Koalition eint. Jeder Euro, den wir dabei mehr ausgeben für Chancengerechtigkeit, ist eine Investition in die Zukunft, die sich auf vielfältige Weise bezahlt macht. Lassen Sie mich eines zu Beginn sagen: Die Kindergrundsicherung ist dafür genau das richtige Instrument, das wir jetzt als Koalition gemeinsam aufs Gleis setzen. Endlich wird Kinderarmut in Deutschland wirksam und nachhaltig bekämpft, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die verschiedenen Bausteine hat Ministerin Lisa Paus bereits beschrieben. Ich möchte hinzufügen, dass die Kindergrundsicherung auch ein relevanter Wirtschaftsfaktor ist. Gerechte Chancen bedeuten erfolgreichere Bildungswege, bedeuten mehr gut ausgebildete Fachkräfte in der Zukunft. Die volkswirtschaftlichen Kosten von Kinderarmut übersteigen mittel- und langfristig die Ausgaben für die Kindergrundsicherung um ein Vielfaches. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kindergrundsicherung ist eben nicht nur unsere sozialpolitische Verantwortung, sie ist auch das Gebot ökonomischer Vernunft. Deswegen ist sie doppelt richtig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Im Hinblick auf die Union möchte ich einmal sagen: Sie sprechen so gern über diese eine Ursache von Kinderarmut, die Migration. Sie verzerren damit aber – so nehme ich das wahr – das wahre Bild,

(Silvia Breher [CDU/CSU]: Nein, das tun wir nicht!)

indem Sie die drei wichtigeren Risikofaktoren ausklammern. Studien zeigen, dass das größere Risiko für Kinderarmut ausgeht von der Erwerbsintensität der Eltern, dem Bildungsgrad der Eltern und der Familienstruktur,

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ja, ach! – Silvia Breher [CDU/CSU]: Das sagen wir ja!)

Stichwort „Alleinerziehende“. Genau da setzen wir an als Koalition,

(Nina Warken [CDU/CSU]: Das machen Sie eben nicht!)

anstatt wie Sie komplexe Probleme auf einfache, ich würde sagen: gar spalterische Antworten zu reduzieren.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ja, genau! Das ist wahrscheinlich auch rechtsextrem, nicht?)

Damit werden Sie den Kindern nicht gerecht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union – wir dagegen mit der Kindergrundsicherung schon.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, multiple Krisen verengen unsere Haushaltsspielräume; das wurde angesprochen. Deswegen gibt es Kürzungen zum Beispiel bei den Freiwilligendiensten, die wir uns sicherlich im parlamentarischen Verfahren noch mal genau anschauen werden. Aber liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Union, was wäre denn die Alternative gewesen? Wollen Sie lieber der alleinerziehenden Mutter den Unterhaltsvorschuss kürzen

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wer spaltet denn?)

oder den Kinderzuschlag für untere Einkommen? Sie können nicht auf der einen Seite fordern, es dürfe keine Kürzungen geben, aber nie sagen, wie unter Einhaltung der Schuldenbremse die Gegenfinanzierung aussehen soll.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Indem man Stellen abbaut!)

Da geben Sie keine Antwort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das ist Fundamentalopposition: immer dagegen sein, einfach nur dagegen sein, aber nie sagen, wie man es eigentlich machen will.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Haben Sie Frau Breher nicht zugehört?)

Das bringt das Land nicht weiter. Das bringt die Kinder nicht weiter. Das bringt uns nicht weiter, und Sie selbst bringt es am wenigsten weiter, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wahnsinn!)

Zum Elterngeld will ich sagen – das wurde auch angesprochen –: Natürlich ist diese Kürzung bitter;

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ach!)

da brauchen wir uns doch nichts vorzumachen. Aber die Ministerin hat die Vorgabe eben so umgesetzt, dass es verkraftbar ist.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Für wen denn?)

Lediglich 3 bis 4 Prozent der reichsten Eltern sind davon betroffen. Wir sparen eben nicht bei denjenigen, die es am dringendsten nötig haben. Die neue Regelung der Ministerin ist die sozialverträglichste Art und Weise, den Vorgaben des Finanzministers zu entsprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)

Übrigens: Die Differenz zwischen dem Haushalt 2023 und dem vorliegenden Entwurf für 2024 entspricht fast haargenau dem Schaden, den uns die CSU durch ihr Pkw-Maut-Desaster eingebrockt hat, nämlich 240 Millionen Euro,

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

240 Millionen Euro, die ganz konkret fehlen. Frau Breher, Sie haben ja die Kürzungen angesprochen. Die Kürzungen hätten wir uns sparen können,

(Silvia Breher [CDU/CSU]: … wenn Sie die Verwaltung nicht neu machen würden!)

wenn Andi Scheuer und die CSU nicht Millionen Steuergelder anderer Menschen fahrlässig verprasst hätten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das ist nämlich die Wahrheit.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Etat ist elementar für die Sicherung unserer Zukunft, für eine resiliente Zivilgesellschaft und starke Familien: vorgesehene Gesamtausgaben von rund 13,35 Milliarden Euro in 2024. Damit liegt der Etat im Übrigen deutlich über der Finanzplanung der GroKo, die für das kommende Jahr nur 11,7 Milliarden vorgesehen hatte. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Hönel, ich muss jetzt für das Recht Ihrer Kollegin kämpfen. Setzen Sie bitte einen Punkt.

Bruno Hönel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Letzter Satz, Frau Präsidentin. – Das schaffen wir trotz all der Krisen und Unwägbarkeiten in dieser Zeit, weil der zivilgesellschaftliche Zusammenhalt das Fundament unserer Demokratie ist, weil wir Familien, von Jung bis Alt, im Blick haben, sie stärken und fördern.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat Dr. Hermann-Josef Tebroke für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)