Rede von Ekin Deligöz Familien in der Pandemie

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12.02.2021

Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es wäre richtig, die Coronakinderkrankentage auch bei Privatversicherten und Selbstständigen vorzusehen. Wir haben ja eine ähnliche Forderung bereits im Verfahren erhoben; deshalb werden wir an dieser Stelle die FDP in ihrem Bestreben auch unterstützen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Warum? Es geht nicht um eine Krankenkassenleistung, sondern es geht darum, Eltern in einer Notsituation zu unterstützen, nämlich erwerbstätige Eltern im Lockdown. Wir haben kein Verständnis dafür, dass dabei nach dem Versicherungsstatus unterschieden wird. Kinder sind Kinder, und wir müssen alle Kinder in einer solchen Situation gleich behandeln, und alle Eltern auch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wenn wir über Privatversicherte reden, reden wir nicht nur über die Reichen, sondern wir reden auch über den Polizisten, der privat versichert ist. Wir reden auch über den Soloselbstständigen, über die Künstlerinnen und Künstler, die privat versichert sind. Wir reden auch über Leute mit geringem Einkommen. Umso wichtiger ist es, dass es eine Angleichung in dem Bereich gibt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Aber Sie von der Regierung konnten sich hier ja gar nicht auf unsere Kritik einlassen. Sie konnten es in Ihrem Verfahren auch gar nicht mehr ändern, obwohl Sie das gesehen haben; denn Sie haben es wieder einmal in einem Eilverfahren gemacht. Wieder einmal musste es sehr schnell gehen. Ehrlich gesagt, sind Sie selber schuld, dass es immer so läuft. Wir hätten uns – in der Debatte vorhin haben wir das gelernt – ja Zeit nehmen können, um das anständig hier zu beraten und vorzubereiten, die Kritik aufzunehmen und das von Anfang an richtig zu machen. Aber das war ja nie Sinn und Zweck der Sache. Es musste ja immer schnell, schnell gehen, weil die Koalition zu spät vorgelegt hat. Das lässt mich irgendwie verzweifeln und, ehrlich gesagt, auch daran zweifeln, dass Sie es mit der Unterstützung von Kindern und den Eltern an dieser Stelle wirklich ernst meinen.

Ich will Ihnen auch sagen, warum. Sie haben von Anfang an, ganz früh, als es um die Elternentschädigung im Infektionsschutzgesetz ging, versucht, hier ein bestimmtes Instrument anzuwenden. Allerdings haben Sie dabei einen Riesenschnitzer reingebaut. Sie haben Homeoffice als eine Betreuungsvariante gesehen. Homeoffice dient aber nicht als Möglichkeit zur Kinderbetreuung, sondern ist eine Dauerbelastung für Eltern und für Kinder.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Obwohl alle aufgeschrien haben, haben Sie monatelang nichts unternommen.

Als ich der Ministerin im Haushaltsausschuss die Frage gestellt habe: „Wissen Sie denn, ob Ihre Instrumente überhaupt in Anspruch genommen werden? Wie kommt das bei den Eltern an? Kommt das überhaupt bei den Menschen an, die es brauchen?“, wusste die Ministerin darauf keine Antwort. Auf meine Frage hin: „Werden Sie eruieren, wie dieses Instrument ankommt?“, hat die Ministerin abgewogen und kein Interesse der Bundesregierung an dieser Stelle gezeigt. Noch immer wissen Sie nicht, ob Ihr altes Instrument überhaupt bei den Menschen angekommen ist oder nicht, weil Sie kein Interesse daran hatten, die Eltern wirklich zu unterstützen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann fiel Ihnen aber auf, dass es vielleicht doch nicht funktioniert. Sie haben im Dezember ganz eilig und schnell, schnell versucht, daran noch irgendetwas zu ändern und zu verbessern. Sie haben es wirklich verschlimmbessert; denn dann haben Sie zwar etwas verändert, aber nur für Eltern von Schulkindern. Die Eltern von Kitakindern haben Sie vergessen. Als Ihnen das auch noch aufgefallen ist, haben Sie im Januar dann im Eilverfahren – schnell, schnell – die Zahl der Kinderkrankentage erhöht und haben gedacht, Sie hätten das richtig gemacht. Dabei sind Ihnen einfach Fehler unterlaufen, auch deshalb, weil Sie sich nicht wirklich damit beschäftigen, sondern weil Sie immer nach der schnellen Lösung suchen und sich nicht mit der Situation der Eltern auseinandersetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der größte Fehler ist, dass Sie Kinder unterschiedlich behandeln. Der zweitgrößte Fehler ist, dass Sie die Kinderkrankentage auf 20 Tage pro Elternteil begrenzen. Was ist, wenn der Shutdown länger dauert? Was ist, wenn die 20 Tage im Shutdown verbraucht sind und das Kind im Herbst – owei! – eine Erkältung hat und Mutter oder Vater zu Hause bleiben müssen? Was ist mit dem regulären Anspruch auf die Kinderkrankentage? Haben Sie darauf eine Antwort? Nein! Auf meine Frage hin meinte Jens Spahn diese Woche im Haushaltshausschuss: Ja, wir machen uns darüber Gedanken, und vielleicht wird eine Verlängerung kommen. – Eltern und Kinder brauchen aber kein Vielleicht, sondern Verlässlichkeit an dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verlässlichkeit, darum geht es.

Damit komme ich zu den zwei anderen Punkten, die eigentlich gut dazu passen. Jetzt haben Sie einen Kinderbonus beschlossen, haben sich dafür auch gefeiert. Ich finde, das ist ein sehr halbherziger Schritt. Eltern sind unter Dauerbelastung, und Sie reagieren darauf mit einer Einmalzahlung. Nein, ich finde nicht, dass das reicht. Übrigens, eine Gruppe trifft es besonders stark, das sind nämlich die ALG-II-Empfängerinnen und -Empfänger.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Absolut! Genau!)

Die brauchen keine Einmalleistung, sondern sie brauchen eine dauerhafte Unterstützung während des Shutdowns.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da bin ich komplett bei allen Sozialverbänden in diesem Land. Beschließen Sie einen Zuschlag für die Familien in Hartz IV! Für sie fällt die Infrastruktur weg. Es gibt kein Mittagessen in der Kita, es gibt nicht mehr die Ganztagseinrichtungen, nicht mehr den Hort. Sie sind auf sich selbst gestellt. Und nein, sie können kein Geld sparen; denn einen Urlaub hätten sie sich vorher schon nicht leisten können, und den werden sie jetzt auch nicht einsparen können. Sie brauchen unsere Solidarität und Unterstützung. Da sollten wir Farbe bekennen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Leider kann ich nichts mehr zu dem Bereich Schule sagen, obwohl ich das wollte. Aber der Präsident hat hier natürlich das Sagen. Nur noch so viel: Wir sollten nicht Pingpong spielen zwischen Bund und Ländern, sondern uns der Sache annehmen. Ich finde es, ehrlich gesagt, wirklich beleidigend, wie hier immer die Schuldzuweisungen hin- und hergeschoben werden. Wir sind es unseren Kindern und Eltern schuldig, hier nicht nur Schuldzuweisungen zu präsentieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Christian Dürr [FDP])

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Auch damit haben Sie es geschafft, 30 Sekunden zu überziehen; auch in Ordnung.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber sie hat es sehr höflich gemacht!)

– Alles gut.

Nächste Rednerin ist die Kollegin Bettina Margarethe Wiesmann, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)