Rede von Dr. Franziska Brantner Finanzen der Europäischen Union

08.06.2018

Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die AfD hat drei kurze Punkte hingeschmiert.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Das kann man so sagen!)

Dafür gibt es drei Erklärungen. Der erste Punkt ist: Sie sind gegen EU-Steuern mit der Begründung, diese unterliefen das nationale Budgetrecht. Zur Sachlage: EU-Steuern – korrekterweise EU-Eigenmittel – können nur im Rahmen des Eigenmittelbeschlusses der EU eingeführt werden. Dieser muss nach dem Beschluss im Rat von uns hier im Bundestag ratifiziert werden. Deshalb ist die Aussage zur Aushöhlung der Budgethoheit des Bundestages nicht richtig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD – Marianne Schieder [SPD]: Das ist der AfD Wurscht!)

Wir müssen da der Bundesregierung auch nichts vorschreiben; denn wir entscheiden darüber am Ende selber. Also, Ihr erster Punkt ist hinfällig bei Kenntnis der Sachlage.

Zweitens. Sie wollen die Brexit-Lücke nicht schließen, sondern beim Kohäsionsfonds kürzen. Herr Weyel, ich habe mal geschaut, wo Ihr Wahlkreis ist: Rheinisch-Bergischer Kreis. Ich habe übrigens festgestellt, dass Sie kein Wahlkreisbüro haben. Also, dieser Kreis bekommt in dieser Förderperiode fast 5 Millionen Euro aus diesem Fonds. Der Ehrlichkeit halber – Herr Weyel, jetzt hören Sie zu – sollten Sie mal bei der Caritas vorbeigehen und Ihren Wunsch verkünden, dass Sie ihnen die Gelder wegnehmen möchten, genauso wie dem Rheinisch-Bergischen TechnologieZentrum. Diesen Mut müssten Sie haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Norbert Kleinwächter [AfD]: Es gibt auch nationale oder Landesfördermittel, Frau Brantner! Es muss nicht immer über Brüssel laufen!)

Sie bitten außerdem die Bundesregierung, dafür Sorge zu tragen, dass die Mittel auf festgelegte Ziele hin evaluiert werden. Das passiert längst: Haushaltskontrollausschuss, Europäischer Rechnungshof, OLAF – das ist die europäische Antibetrugsbehörde –, Europäisches Semester; bald kommt die Europäische Staatsanwaltschaft. Auch hier: Bei Kenntnis der Sachlage hinfällig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Norbert Kleinwächter [AfD]: Billige Rhetorik!)

Apropos Europäische Staatsanwaltschaft: Sie haben in der Begründung Ihres Antrags Ihre Forderung nach Kürzung der Mittel mit möglicher Korruption begründet. Die EU hat jetzt eine eigene Staatsanwaltschaft gegründet, deren zentrale Aufgabe die Bekämpfung von Korruption bei der EU-Geldervergabe ist. Interessant ist dabei, dass Ihre Freunde Orban und Kaczynski dabei nicht mitmachen. Die wollen sich nämlich nicht in ihre korrupten Taschen schauen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir haben da die klare Forderung: Wer bei der EU-Staatsanwaltschaft nicht mitmacht, der soll auch keine EU-Gelder verwalten dürfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Kay Gottschalk [AfD]: Der spanische Ministerpräsident war nicht korrupt, oder?)

Drittens: Noch mal Ihr Leitthema „Mir gäbet nix“ in der Variante „Neue Aufgaben dürfen nur aufgenommen werden, wenn diese Kosten durch Umverteilung an anderer Stelle eingespart wurden“. Sie sagen nicht, welche neuen Aufgaben Sie wollen, und vor allem sagen Sie nicht, wo gekürzt werden soll. Wissen Sie, das ist einfach unseriös. Das ist einfach nur populistisch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir Grünen sind offen für einen effizienteren Einsatz der Gelder; aber man kann nicht einfach wegdiskutieren, dass sich der Anspruch an die EU auch geändert hat. Da sind wir bei dem grundsätzlichen Dissens: Die Idee, dass man mit weniger Geld mehr bewältigen kann, ist einfach absurd. Für uns Grüne ist da ganz klar: Gemeinschaftliche Aufgaben gehören gemeinsam finanziert, weil wir auch gemeinsam davon profitieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Dazu gehören für uns Klimaschutz, gemeinsame Eisenbahnnetze, Digitalisierung, gemeinsame Außenpolitik, europäische Grenzkontrolle, Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Das ist eine lange Latte. Da haben wir viel gemeinsam zu tun und gemeinsam zu erreichen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kay Gottschalk [AfD]: Wie die Flüchtlingskrise!)

Weil Sie hier so tun, als ob das unglaubliche Summen wären, ein Vergleich: Der EU-Haushalt entspricht dem Haushalt von Belgien und gilt für 27 Mitgliedstaaten.

Abschließend noch mal ganz klar, warum wir das wollen: Das Verkriechen im Nationalstaat ist in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung zum Scheitern verurteilt. Souveränität gibt es nur europäisch, und das ist uns sehr viel wert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Norbert Kleinwächter [AfD]: Gut, dass Sie das so offen gesagt haben!)