Rede von Sven-Christian Kindler Haushalt 2023: Finanzen, Epl. 08

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08.09.2022

Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister Lindner! Meine Damen und Herren! Heute ist Tag 197 seit dem Beginn des

schrecklichen Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine. Das ist ein fundamentaler Angriff auf unsere Friedens- und Sicherheitsordnung in Europa, wo Putin statt

der Stärke des Rechts auf das Recht des Stärkeren setzt und imperiale Gewalt zur Verschiebung von Grenzen einsetzen will.

Zentral für unsere Politik in diesem schweren Herbst, in diesem Winter ist, dass wir als Koalition in Deutschland, aber auch in Europa und

international als Gesellschaften und Staaten zusammenhalten und die Angriffe und Spaltungsversuche von Wladimir Putin und dem russischen Regime durch den

Energiekrieg, durch Cyberangriffe, durch Propaganda und durch den Kornkrieg, in dem Hunger als Waffe eingesetzt wird, weiter entschieden zurückweisen und das

internationale Recht und die Ukraine weiter verteidigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Denn wir werden die Menschen in der Ukraine weiter unterstützen – humanitär, diplomatisch, mit Waffenlieferungen und auch mit zusätzlichen notwendigen

Sanktionen. Ich will nicht verhehlen, dass die Lage in diesem Herbst und Winter extrem angespannt und schwierig ist. Das stellt insgesamt auch unsere Politik,

auch die Finanzpolitik, vor große Herausforderungen. Aber wir werden uns als Koalition diesen großen Herausforderungen stellen. Wir werden uns nicht wegducken;

wir nehmen die Herausforderungen an.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wir spielen nicht die notwendige Unterstützung der Ukraine gegen die notwendige Unterstützung der Bevölkerung in Deutschland aus, so wie es heute in

der Debatte zum Wirtschaftsetat Sahra Wagenknecht gemacht hat oder so wie es gerade die AfD als fünfte Kolonne Moskaus und des Kremls gemacht hat. Das werden

wir nicht zulassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Deswegen hat auch der Koalitionsausschuss – der Finanzminister hat es angesprochen – am Wochenende ein großes Entlastungspaket über 65 Milliarden Euro

beschlossen, mit der Wirkung, dass vor allem kleine und mittlere Einkommen in dieser schweren Krise sozial entlastet werden. Wirtschaftsminister Habeck hat

heute noch mal ein wichtiges Paket für kleine und mittlere Unternehmen zur Dämpfung der Energiekosten angekündigt. Das ist der richtige Weg.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es ist offensichtlich: Der Krieg verschärft viele Probleme, die wir haben. Die Inflation trifft uns vor allem deswegen, weil wir so abhängig sind von

fossilem Gas und fossilem Öl. Der Kollege Haase von der Union hat auch die Energiepolitik der Ampel angesprochen. Da will ich nur fragen: Wer hat uns denn so

abhängig gemacht von Gas und Öl? Wer hat in den letzten 16 Jahren regiert und jedes einzelne Windrad blockiert? Warum waren denn die Gasspeicher alle leer, als

wir die Regierung übernommen haben? Und warum ist insbesondere Bayern unter der CSU in diesem Winter so in der Grütze? Das ist doch Ihre Verantwortung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Jetzt sind die Gasspeicher zu 85 Prozent gefüllt. Wir haben vor der Sommerpause das größte Paket von erneuerbaren Energien seit 20 Jahren beschlossen.

Der Finanzminister hat es angesprochen: Wir haben einen Klima- und Transformationsfonds auf den Weg gebracht, mit einem Volumen von 200 Milliarden Euro bis

2026. Das ist so zentral, weil wir damit nämlich erneuerbare Energien finanzieren. Wir finanzieren Energieeinsparung und Energieeffizienz, machen uns also

unabhängig von Putins Gas. Wir machen uns insgesamt unabhängig von Gas und Öl und von autokratischen Regimen. Und gerade die Union klagt jetzt dagegen. Das

zeigt doch, dass Sie in der Opposition nichts verstanden haben und noch immer die Energiewende blockieren wollen. Das werden wir nicht zulassen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Man kann gerade in dieser Zeit nicht den Klima- und Transformationsfonds kaputtmachen wollen oder ihn für andere Aufgaben zweckentfremden wollen. Wir

sehen, dass die Klimakrise massiv eskaliert durch Waldbrände, durch Überschwemmungen, durch die Dürre, durch die ganze Hitze. Deswegen ist für uns klar: Wir

haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir gemeinsam als Koalition prüfen wollen, wie wir dieses Instrument in diesem Jahr noch stärken können. Das werden

wir uns genau anschauen. Insbesondere bei der Energieeffizienz müssen wir schauen, was da noch geht, weil das zentral ist für diesen Winter.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen international vor massiven Herausforderungen aufgrund einer der schwersten Hungerkrisen seit Jahrzehnten.

Weltweit, nicht nur in der Ukraine, fliehen extrem viele Menschen vor Kriegen, aber auch vor der eskalierenden Klimakrise. Deswegen ist der Bedarf an

humanitärer Hilfe, an ziviler Krisenprävention, aber auch an Ernährungssicherheit so groß. Für uns ist auch zentral, dass wir in diesen Haushaltsberatungen

darüber sehr ernsthaft diskutieren und an zentralen Stellen nachsteuern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Klimakrise eskaliert. Wir haben eine Coronapandemie, die noch lange nicht vorbei ist. Ich blicke, ähnlich wie der Finanzminister, aus ökonomischer

Sicht auch mit Sorgen auf diesen Herbst; denn wir haben hohe fossilgetriebene Energiepreise. Die EU und die Bundesregierung arbeiten daran, diese nach unten zu

drücken, indem wir in ganz kurzer Zeit ein neues Strommarktdesign entwickeln werden und indem wir zusehen, dass wir Zufallsgewinne abschöpfen und so die

Unternehmerinnen und Unternehmer sowie die Verbraucherinnen und Verbraucher entlasten können.

Gleichzeitig haben wir neben den hohen fossilen Energiepreisen auch einen Nachfrageschock bei vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil sie

verunsichert sind, und die Unternehmen können die gestiegenen Kosten nicht einfach weitergeben; denn damit würden sie auf massive Probleme stoßen.

Wir haben eine Situation, in der Banken jetzt verschärfte Kreditlinien für Unternehmenskredite verabschieden werden. Der Finanzminister hat es

angesprochen: Die EZB erhöht jetzt den Leitzins wegen der hohen Inflation, und das verschärft natürlich die Rezessionstendenzen. Das Institut für Weltwirtschaft

geht heute von minus 0,7 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt im nächsten Jahr aus.

Deswegen sage ich auch klar: So ein drohendes ökonomisches Szenario braucht eine aktive Haushalts- und Finanzpolitik. Sie braucht einen

handlungsfähigen Staat, der die Menschen und Unternehmen in diesen schweren Zeiten nicht im Stich lässt, sondern unterstützt. Wir sagen sehr klar: Wir werden

nicht in die Krisen hineinsparen, sondern das Notwendige tun und das Notwendige finanzieren.

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die Fraktion Die Linke hat das Wort Christian Görke.

(Beifall bei der LINKEN)