Rede von Lisa Paus Finanzmarktintegrität und Anleger
Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich, übrigens auch im Namen des gesamten Untersuchungsausschusses, noch mal ganz herzlich bei unserem Kollegen Danyal Bayaz für seine super Arbeit im Wirecard-Untersuchungsausschuss bedanken. Viel Erfolg als Finanzminister jetzt in Baden-Württemberg!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)
Das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz ist die erste gesetzliche Konsequenz aus dem Wirecard-Skandal. Sie ist richtig, sie ist notwendig, sie geht uns aber nicht weit genug. Um mit den Worten des Finanzministers zu sprechen: Sie hätte wirklich noch bissiger sein können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aber dennoch: Auch mit den geltenden Gesetzen hätte der Skandal verhindert werden können, verhindert werden müssen. Auch das wird das Ergebnis des Untersuchungsausschusses sein, zumindest beim Sondervotum der Opposition.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)
Ein Punkt sind die kulturellen Vorurteile, die man bei der BaFin zum Beispiel feststellen musste, quasi die kulturelle Abschirmung der BaFin gegenüber angelsächsischen Whistleblowern: Die konnten noch nicht mal ans Telefon gehen. Wenn da Englisch gesprochen wurde, wurde gleich wieder aufgelegt. Das muss man nicht mit Gesetz ändern.
Auch die Compliance-Regeln für Mitarbeiter von obersten Bundesbehörden – Stichwort: Handel mit Wirecard-Aktien seitens der Mitarbeiter – werden normalerweise untergesetzlich geregelt und auch beaufsichtigt, aber so nicht bei Wirecard.
Es hätte auch eine Geldwäscheaufsicht für die gesamte Wirecard AG geben können – die Berater von Wirecard selbst sind davon ausgegangen –, hat es aber nicht gegeben. Wirtschaftsprüfer hätten deutlich früher, wenn sie die kritische Grundhaltung umgesetzt hätten, zu der sie berufsständisch verpflichtet sind, den Bilanzbetrug aufdecken können. Auch dazu brauchen wir keine anderen Gesetze, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Aber dennoch: Es gibt erheblichen Reformbedarf. Wirecard ist ja auch leider kein Einzelfall, wenn auch eben der größte seit dem Zweiten Weltkrieg. Und wir Grünen haben deshalb bereits im November umfangreiche Reformvorschläge gemacht: Neuordnung der Wirtschaftsprüfung, neue Compliance-Regeln bei der Finanzaufsicht. Und einiges davon findet sich jetzt auch tatsächlich im Gesetz wieder. Das finden wir ausdrücklich gut, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir begrüßen zum Beispiel, dass im Zuge des Beratungsverfahrens im Parlament Sie sich doch noch dazu durchgerungen haben, die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung aufzulösen. Zur Erinnerung: Das ist die sogenannte Bilanzpolizei, die aber von sich selber gesagt hat, dass sie eigentlich Betrug gar nicht erkennen kann. Sie gehört aufgelöst. Das machen wir mit diesem Gesetz. Und das ist gut so, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU])
Was aber fehlt, das ist die grundlegende Reform des Wirtschaftsprüfermarktes. Daran haben Sie jetzt ein bisschen herumgedoktert. Wir wissen auch, dass das nicht von einem auf den anderen Tag geht. Aber wir brauchen dazu einen längeren Prozess; und das machen Sie hier nicht. EY ist eben ein weiteres Beispiel dafür, dass das Vierer-Oligopol aufgebrochen werden muss. Wir brauchen eine Trennung von Prüfung und Beratung. Und deswegen brauchen wir zusätzliche Reformen. Wir brauchen Joint Audits.
(Zuruf des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU])
Wir brauchen auch einen Aufbau von unabhängigen Pools, damit die mittelständischen Wirtschaftsprüfer tatsächlich aufschließen und wir dieses Oligopol brechen können, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Und auch bei der BaFin fehlt Entscheidendes in diesem Gesetz. Sie machen jetzt zwar Testkäufe – die dürfen jetzt von der BaFin veranlasst werden –, aber eine echte Stärkung des finanziellen Verbraucherschutzes gibt es nicht. Es fehlt nach wie vor ein eigener Geschäftsbereich dafür. Im Vorstand ist das Thema nicht vertreten. Und das ist schlecht, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Der Wirecard-Skandal war auch nicht nur ein Bilanzskandal. Er ist auch ein Geldwäscheskandal. Und deswegen haben wir eine schlagkräftige Einheit innerhalb der BaFin gefordert, die bei Bedarf in der Lage ist, relevanten Hinweisen nachzugehen, vorzuermitteln. Auch das findet sich nicht im Gesetz. Und das ist schlecht, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Claudia Roth:
Und jetzt wäre es gut, wenn Sie zum Ende kommen.
Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Genau. – Zum Schluss, Frau Präsidentin: Wir brauchen auch mehr Rechenschaftspflichten der BaFin gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit, eine größere Unabhängigkeit für mehr Verantwortlichkeit. Auch das fehlt in diesem Gesetz. Und deswegen werden wir dem Gesetz nicht zustimmen können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Claudia Roth:
Vielen Dank, Lisa Paus. – Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Lothar Binding.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU])