Rede von Dr. Danyal Bayaz Folgen der Corona-Pandemie – Steuerliche Hilfsmaßnahmen

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15.05.2020

Dr. Danyal Bayaz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Herr Präsident! Ehrlicherweise: Wir können nicht bei jeder wirtschaftlichen Maßnahme, die wir gerade treffen, immer wissen, ob sie die Richtige ist. Wir entscheiden unter einem hohen Grad an Unsicherheit. Vor diesem Hintergrund können wir dem Vorschlag einer zeitlich befristeten Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie durchaus etwas abgewinnen. Es ist ja eine Branche, die besonders stark von den Einschränkungen durch die Coronapandemie betroffen ist. Aber es gehört auch zur Wahrheit dazu, Herr Minister: Anders als es im Gesetzentwurf steht, geht es hier nicht um zusätzliche Konsum- oder Konjunktureffekte. Keiner isst zwei Pizzen, nur weil die Mehrwertsteuer gesunken ist. Vielmehr handelt es sich um eine Subvention für Gastronomen, um nicht getätigte Umsätze in den letzten Wochen zu kompensieren. Das ist auch richtig so. Aber man muss es dann an dieser Stelle auch so sagen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Viele Unternehmen – nicht nur Gastronomen – werden dieses Jahr viel Verlust erleiden, obwohl sie eigentlich profitable Geschäftsmodelle haben. Wir wollen verhindern, dass gesunde Unternehmen dazu gezwungen werden, Arbeitsplätze abzubauen oder Investitionen abzublasen. Deswegen schlagen wir in unserem Antrag vor, dass Unternehmen Verluste aus diesem Jahr noch breiter steuerlich nutzen können, und zwar durch einen ausgeweiteten Verlustrücktrag über die letzten vier Jahre. Ich habe wohlwollend zur Kenntnis genommen, Frau Tillmann, dass es bei Ihnen eine gewisse Offenheit für diesen Vorschlag gibt. Ich bitte sie alle, die Sie Verantwortung haben, im weiteren Gesetzgebungsverfahren diesen Vorschlag sehr ernsthaft zu prüfen. Seine Umsetzung würde einfach dafür sorgen, dass zusätzliche Liquidität bei den Unternehmen ankommt, ohne dass weitere Kredite aufgenommen werden müssten. Gerade Mittelständler und Handwerker würden davon profitieren. Es würde der Erholung unserer Wirtschaft nutzen. Genau das ist doch unser aller Anliegen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben nicht nur über Steuern gesprochen, sondern auch etwas zur Idee eines Konjunkturprogramms gehört. Ich finde das wichtig und richtig; denn diese Krise ist unvergleichlich. Wir müssen behutsam und klug vorgehen, um erstens unsere Wirtschaft wieder auf Vordermann zu bringen und zweitens ein anderes Ziel zu erreichen, nämlich Umwelt und Wirtschaft zusammenzubringen. Wir können nicht vor der einen Krise die Augen verschließen, um die andere zu lösen. Unsere Aufgabe in der Politik ist es, mehrere Krisen gleichzeitig zu händeln.

Ich habe in Ihrer Rede, Frau Tillmann, auch wohlwollend vernommen, dass Sie dieses Ziel teilen. Gleichzeitig habe ich aber in dieser Woche gerade aus der Unionsfraktion wieder mal Stimmen wahrgenommen, die den Green Deal infrage stellen. Damit wenden Sie sich ja nicht nur gegen die Kanzlerin oder gegen die EU-Kommissionspräsidentin, sondern Sie wenden sich auch gegen eine Vielzahl von Unternehmen in Deutschland, die quasi im Wochentakt Appelle unterschreiben, in denen sie ein ökologisches Konjunkturprogramm fordern. Sie stellen sich auch gegen die Empfehlung eines breiten Bündnisses aus Ökonominnen und Ökonomen, die in eine ähnliche Richtung argumentieren. Sie raten uns nämlich zu mehr Investitionen in öffentliche Infrastruktur, in Qualifizierung, in Bildung, in Forschung, in unsere digitale Infrastruktur und, ja, auch in die ökologische Modernisierung unserer Industrie.

Herr Minister, Sie sprachen das Konjunkturprogramm an und sagten: Da kommt noch was. – Genau an diesen Vorschlägen werden wir Sie messen.

Diese Krise lehrt uns, dass unsere Wirtschaft resilienter werden muss, dass sie robuster werden muss, dass sie anpassungsfähiger werden muss, dass sie unabhängiger werden muss. Das erreichen wir, indem wir unserer sozialen Marktwirtschaft ein ökologisches und ein digitales Update verpassen. Über die Maßnahmen können und werden wir in diesem Haus sicherlich noch streiten; das ist unstrittig.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, kommen Sie bitte jetzt zum Schluss.

Dr. Danyal Bayaz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Aber das Ziel sollten wir nicht infrage stellen. Ich bitte Sie alle, das sehr ernst zu nehmen, damit wir nicht von der einen Krise in die nächste stolpern.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Lothar Binding, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)