Rede von Erhard Grundl Folgen der Corona-Pandemie - Veranstaltungsvertragsrecht

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14.05.2020

Erhard Grundl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schönheit, Trost, Provokation, Inspiration – Kunst ist vieles. Deshalb wird sie verfolgt. Und darum braucht eine freiheitliche Gesellschaft Kunst. Diese Kunst ist derzeit in ihrer Existenz bedroht. Auch wirtschaftlich geht es um viel. Die Kultur- und Kreativwirtschaft erzielte 2018 etwa 100 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung. Knapp 1,2 Millionen Beschäftigte arbeiten in der Branche, davon viele als Selbstständige, mit 21,5 Prozent mehr als in allen anderen Branchen. Sie alle sind quasi mit Arbeitsverbot belegt. Der Shutdown, so notwendig er ist, trifft sie alle hart.

Manche Maßnahmen des Bundes kamen schnell, aber auf die spezifischen Bedürfnisse von Kulturschaffenden, Künstlerinnen und Künstlern waren und sind sie nicht zugeschnitten. Deren Hilferufe dürfen nicht länger untergehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine Soforthilfe etwa, die nur Betriebskosten deckt, geht an der Lebensrealität von Künstlerinnen und Künstlern haarscharf vorbei. Der Zugang zur Grundsicherung, den Sie, Frau Grütters, als Allheilmittel immer wieder betonen, kann zur Existenzsicherung beitragen, ja – aber nur, wenn die unternehmerische Freiheit nicht eingeschränkt wird und wenn Rücklagen für die Alterssicherung nicht angetastet werden müssen. Denn diese Rücklagen brauchen befristet Beschäftigte dringend, weil sie Rentenlücken überbrücken müssen. Ich vermisse hier Ihr Verständnis, Frau Kulturstaatsministerin, gerade für die Arbeitsrealitäten vieler Kulturschaffender.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir befinden uns im roten Bereich der Gain-Anzeige am kulturpolitischen Mischpult, und das ist schon jetzt eine Katastrophe für ganz viele. Für alle angekündigten Hilfsangebote gilt: Es ist oft unklar, was gegebenenfalls zurückgezahlt werden muss. Das wiederum bedeutet nichts anderes, als in eine unsichere Zukunft hinein Schulden anzuhäufen. Bereits bewilligte Fördermittel müssen ausgezahlt und umgewidmet werden können, um Kultureinrichtungen und Arbeitsplätze zu erhalten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die von Ihnen vorgeschlagene Gutscheinlösung für die Veranstaltungsbranche ist dabei keine Lösung. Sie verteilt die Risiken einseitig und schafft Rechtsunsicherheit. Zwangsgutscheine kündigen die Solidarität in unserer Gesellschaft ein Stück weit auf; denn Solidarität kann nicht verordnet werden.

(Beifall der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wie auch beim Verbraucherschutzgesetz bleibt der Verbraucherschutz auf der Strecke.

Wir müssen jetzt auch die Wiedereröffnung der Kultureinrichtungen orchestrieren, und alle Kultureinrichtungen brauchen einen Fahrplan. Sie brauchen endlich Antworten auf Fragen wie zum Beispiel: Was ist eine Großveranstaltung? Oder: Welche Schutzmaßnahmen sind nötig?

(Dr. Eva Högl [SPD]: Das stimmt!)

Unser Antrag sieht vor, einen Kulturrettungsfonds einzurichten, um die Lücken im jetzigen Maßnahmenpaket zu schließen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen etwa auch eine zentrale Beratungsstelle, einen Helpdesk für alle Betroffenen.

Meine Damen und Herren, wir sind zu Recht stolz auf unsere weltoffene Kulturlandschaft. Wir sind dankbar für die kreativen digitalen Angebote von Künstlerinnen und Künstlern weltweit, von Igor Levit bis zu den Klubs, die für uns per „United We Stream“ Livemusik machen, und vielen, vielen anderen.

Aber von Luft, Liebe und Dankbarkeit können Kunst und Kultur nicht leben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Genau! Wir müssen was tun!)

Dass große digitale Plattformen am Kulturangebot im Netz verdienen, Künstlerinnen und Künstler aber leer ausgehen, das muss sich ändern. Lassen Sie uns die Grundlagen schaffen, damit Kunst – Livekunst – in ihrer Vielfalt, ihrem Reichtum, ihrem Widerspruchsgeist und ihrer Schönheit trotz der Pandemie erhalten bleibt.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Die nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion die Kollegin Gitta Connemann.

(Beifall bei der CDU/CSU)