Rede von Omid Nouripour Fortsetzung Bundeswehrmandat Irak / IS

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18.09.2020

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung zu der Rede des Kollegen von der AfD: Ja, der Irakkrieg, den George W. Bush ausgelöst hat, basierte auf Lügen, war verheerend und rechtswidrig. Aber das, was Sie gerade hinsichtlich der Stabilität in der Zeit davor beschrieben haben, sorgt, ehrlich gesagt, dafür, dass mir einfach speiübel wird. Am 16. März 1988 hat Saddam Hussein mit einer Giftgasattacke in Halabdscha bis zu 5 000 Kurdinnen und Kurden, alle Zivilisten, einfach umgebracht. Ihr Stabilitätsbegriff ist ekelerregend.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, in der Auseinandersetzung mit ISIS haben wir in den letzten zwölf Monaten viele Rückschläge erlitten. Die Lage in Syrien ist weit schlechter geworden. Es gibt jetzt 4 000 bis 6 000 Menschen, die unter ISIS als Milizen unterwegs sind. Es ist richtig, was der irakische Außenminister gesagt hat: Der IS ist territorial nicht stark, aber weit entfernt davon, besiegt zu sein. – Aber wir erleben ja gerade, beispielsweise im Osten Syriens, wie sich in al-Haul 11 000 Menschen, die ISIS-Angehörige waren, weiter radikalisieren. Und wir hören seit so langer Zeit die Hilferufe der kurdischen Milizen, die sagen: Nehmt wenigstens eure Staatsbürgerinnen und Staatsbürger da weg. – Das heißt: Wenn wir etwas dagegen tun wollen – denn wir alle wissen, was uns bevorstehen kann, wenn al-Haul tatsächlich von den Dschihadisten invadiert wird –, dann bitte ich Sie, hoffentlich zum letzten Mal, dringend: Holen Sie wenigstens die deutschen Staatsbürger dort raus; denn wir wissen, was dort droht. Das wäre ein Riesenrückschlag, wenn diese Leute tatsächlich am Ende von ISIS befreit würden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch im Irak ist die Lage hoch dramatisch. Wir erleben seit Beginn des Jahres, dass ISIS wieder stärker wird, auch durch Covid. Deshalb wissen wir, dass eine Reform des Sicherheitssektors im Irak dringend erforderlich ist. Und wir wissen, dass im Grundsatz auch die Bundeswehr dort gebraucht werden würde.

Ich möchte zwei Gründe benennen, warum ich meiner Fraktion dennoch nicht empfehlen kann, diesem Mandat zuzustimmen:

Das eine ist: Die Frau Ministerin hat völlig zu Recht gesagt, es braucht eine sichere Rechtsgrundlage. Wir haben immer noch kein System kollektiver Sicherheit. Wir haben immer noch eine Koalition der Willigen, und das wird auch nicht besser, wenn jetzt Teile der Mission im NATO-Rahmen verlaufen. Das ist einfach keine verfassungsfeste Rechtsgrundlage, die Sie hier vorlegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE])

Das Zweite ist: Die Befehlskette ist brüchig. Wir haben mit Mustafa al-Kadhimi einen Ministerpräsidenten, der sehr viel Gutes will und sehr viel Gutes für das Land tut, aber nicht wirklich vorankommt. Wir haben dieser Tage erlebt, dass die moralische Instanz im Land, al-Sistani, eingefordert hat: Diejenigen, die Verbrechen gegen die Zivilgesellschaft begangen haben, sollen zur Rechenschaft gezogen werden, damit das Land endlich unter die Kontrolle der Regierung gestellt werden kann und das Gewaltmonopol wiederhergestellt wird. – Wir erleben permanent, dass die Volksmobilisierungseinheiten von der irakischen Regierung finanziert werden, aber vom Iran aus geführt werden. Das ist in diesem Jahr weit schlimmer geworden. Deshalb stellt sich die Frage – es gibt so viele Vorfälle, wie wir in Bagdad gesehen haben, auch in diesen Tagen, auch mitten in der Green Zone –, ob es sinnvoll ist, unter diesen Umständen ohne jegliche Sicherheitsgarantie auszubilden, ohne dass man weiß, wofür man diese Leute ausbildet und auf welcher Seite sie am Ende stehen.

Deshalb kann ich meiner Fraktion zum jetzigen Zeitpunkt nicht empfehlen, diesem Mandat zuzustimmen. Es ist dringend notwendig, ISIS zu bekämpfen, auch militärisch. Aber es braucht eine Rechtsgrundlage, und es muss auch klar sein, gerade bei den Reformen des Sicherheitssektors, –

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Nouripour, achten Sie bitte auf die Zeit.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– wofür wir ausbilden.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Thomas Erndl das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)