Rede von Jürgen Trittin Fortsetzung der Ausbildung von Sicherheitskräften im Irak

12.12.2017

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Wir haben diesen Einsatz am Anfang nicht für grundsätzlich falsch gehalten. Wir haben an ihm kritisiert, dass er nicht in einem System kollektiver Sicherheit stattfindet. Wenn wir aber heute darüber reden, dass dieser Einsatz verlängert werden soll, dann kann man das doch nicht tun, ohne die Situation im Irak zu betrachten. Wenn jedoch die völkerrechtliche Grundlage für den Einsatz lautet, dass man der Regierung des Irak hilft, ihren Sicherheitssektor zu reformieren, und diese Regierung selbst feststellt, dass sie die Grenzen des Irak vollständig unter Kontrolle hat und Daesh besiegt ist, stellt sich doch die Frage: Wo ist denn da der Spielraum, lieber Niels Annen, an dieser Stelle so zu tun, als sei das nicht der Fall gewesen, und einfach weiterzumachen?

Ich finde, dass man zusätzlich hinzunehmen muss, was im Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitsreferendum passiert ist. Es ist doch eine Tatsache, dass ein Teil der Waffen, die wir geliefert haben – man muss das in dieser Deutlichkeit sagen; Panzerabwehrraketen sind keine Yogamatten –, in diesem Krieg eingesetzt worden sind. Vor diesem Hintergrund war es richtig, so zu verfahren, wie Sie, Frau von der Leyen, gesagt haben, nämlich in dieser Situation aufzuhören, weiter auszubilden. Was war aber eigentlich das Motiv – diese Frage hat auch Niels Annen nicht beantworten können –, die Ausbildung wieder aufzunehmen?

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Gute Frage, ja!)

Können Sie heute sicherstellen, dass die militärischen Fähigkeiten, die ein Teil der Kurden, also eine bestimmte Strömung innerhalb der irakischen Kurden, besitzt, nicht eingesetzt werden, um einen Zerfall bzw. einen Bürgerkrieg im Irak herbeizuführen? Auf all dies haben Sie keine Antwort gegeben.

Es ist noch viel schlimmer: Dem Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat die Regierung einen Besuch im Nordirak schlicht und ergreifend untersagt. Als so etwas in Incirlik stattgefunden hat, waren wir gemeinsam der Auffassung: Da, wohin die deutsche Bundesregierung bzw. die Parlamentarier nicht gehen können, lassen wir keine deutschen Soldaten stehen, sondern ziehen sie ab.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum passiert das hier nicht?

Wir alle haben ja ein Interesse daran, dass der Irak nicht zerfällt; denn die Folgen wären fürchterlich. Ein Zerfall des Irak in einen kurdischen Nordteil, einen schiitisch regierten und vom Iran dominierten Süden und isolierte sunnitische Teile in der Mitte und im Westen brächte das Wiederaufleben genau jener Strukturen mit sich, die den IS stark gemacht haben. Deswegen sage ich Ihnen: Wir müssen alles tun, um die zentrifugalen Kräfte innerhalb des Irak unter Kontrolle zu bringen. – Dazu gehört aber nicht, sich weiterhin fahrlässig darauf einzulassen, die Soldatinnen und Soldaten von Separatisten militärisch zu trainieren. Deswegen ist es falsch, dieses Mandat heute hier zu verlängern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)