Rede von Sara Nanni Fortsetzung des EUNAVFOR MED IRINI-Einsatzes im Mittelmeer

Sara Nanni
26.04.2023

Sara Nanni (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Wehrbeauftragte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute bitte ich Sie auch im Namen meiner Fraktion um Zustimmung zum vorliegenden Mandat EUNAVFOR MED Irini. Bevor ich das weiter begründe, möchte ich an dieser Stelle zunächst meinen Dank an die Soldatinnen und Soldaten aussprechen, die in den vergangenen Tagen im Rahmen der Evakuierungsoperation im Sudan vielen Menschen durch ihren mutigen Einsatz das Leben gerettet haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Noch sind nicht alle deutschen Soldatinnen und Soldaten wieder zu Hause. Noch ist nicht klar, ob weitere deutsche Staatsbürger/-innen evakuiert werden müssen. Auch die Lage der Zivilistinnen und Zivilisten im Sudan bleibt dramatisch. Von Entspannung oder gar Erleichterung kann also keine Rede sein.

Trotzdem ist jetzt schon klar, dass die Bundeswehr mit diesem Einsatz einmal mehr bewiesen hat, welche Höchstleistungen sie abrufen kann. Und auch die Bundesregierung hat gezeigt, wie gut sie auch in einer schweren Krisenlage zusammenarbeiten kann. Mein Dank gilt deswegen explizit auch Annalena Baerbock und Boris Pistorius.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Meine Gedanken bleiben bei allen – auch der anderen Nationen –, die vor Ort weiterhin im Einsatz sind, die auf Evakuierung warten, und vor allem bei den Menschen im Sudan, die den Frieden so dringend brauchen.

Zwischen dem Evakuierungseinsatz im Sudan und dem hier vorliegenden Mandat gibt es eine Verbindung, nämlich den Einsatzgruppenversorger „Bonn“. Denn die „Bonn“ ist das Schiff der Marine, das am einfachsten den Hafen Port Sudan ansteuern könnte, sollte eine Evakuierung über den Seeweg Teil des laufenden Einsatzes werden. Danach sieht es zurzeit zum Glück nicht aus. Gemeinsam mit dem Seefernaufklärungsflugzeug P-3 Orion ist die „Bonn“ üblicherweise Teil des deutschen Beitrags von EUNAVFOR MED Irini. Ziel der gemeinsamen Aufklärungsbemühungen – sieben Nationen sind insgesamt beteiligt und bringen ihre Fähigkeiten ein – ist die Durchsetzung des schon 2011 durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossenen Waffenembargos gegen Libyen. Der Einsatz wurde erst 2016 durch den VN-Sicherheitsrat ermöglicht und vom Vorgängermandat EUNAVFOR MED Sophia als Zusatzaufgabe durchgeführt. Erst seit 2020 hat das neue Mandat EUNAVFOR MED Irini den Auftrag auf die Durchsetzung des Waffenembargos fokussiert.

Ich will kein Hehl daraus machen, dass mich die Lage in Libyen trotz des Einsatzes vor der Küste mehr als frustriert. Es ist leider nicht so, dass der Einsatz im Mittelmeer allein schon ausreicht, um den illegalen Waffenhandel nach Libyen zu unterbinden. Es gibt in Libyen kein staatliches Gewaltmonopol, dafür aber zwei große Machtblöcke, die – jeweils erstaunlich gut ausgestattet – seit 2011 immer wieder mit militärischen Mitteln um die Vorherrschaft im Land kämpfen – auf Kosten der Sicherheit in der Region, auf Kosten der eigenen Bevölkerung, auf Kosten einer lebenswerten Zukunft in ihrem Land.

Klar ist: Der Zustrom von Waffen in ein Land mit fast 4 500 Kilometer langen Grenzen zu Land, davon ein großer Teil in der Wüste, kann nicht allein vom Mittelmeer aus effektiv kontrolliert werden. Aber klar ist auch: Wenn man nicht mal das Mittelmeer kontrolliert, dann macht man es den Schmugglern zu leicht.

Die Durchsetzung von internationalem Recht ist nicht so einfach möglich wie die Durchsetzung von nationalem Recht in einem funktionierenden Rechtsstaat, wie es unsere Bundesrepublik ist. Unsere Soldatinnen und Soldaten spüren das bei jedem Auslandseinsatz. Es geht nie darum, dass die Bundeswehr alleine ein Problem vollständig löst.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Bundeswehr kann einen gewissen Beitrag zum großen Ganzen leisten. Und das tun die Soldatinnen und Soldaten auch in diesem Einsatz mit vollem Engagement, mit großen persönlichen Entbehrungen und mit hoher Professionalität. Dafür gilt ihnen mein Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Einen Beitrag zum großen Ganzen kann die Bundeswehr auch leisten, wenn ihre Schiffe – genau wie alle anderen zur See fahrenden, zivilen Schiffe – in Not geratene Geflüchtete auf dem Mittelmeer vor dem Ertrinken retten.

Die Pflicht zur Rettung besteht für alle, die auf den internationalen Meeren unterwegs sind und das leisten können. Dieses Selbstverständnis haben wir in unserem Mandat noch mal ausformuliert. Es scheint aber nicht für alle eine Selbstverständlichkeit zu sein. Immer wieder machen insbesondere die italienischen Behörden den Eindruck, Rettung absichtlich hinauszuzögern, auch wenn sie damit ganz klar Menschenleben gefährden. Das wird den Werten, für die die Europäische Union steht, den Werten, die uns alle schützen, nicht gerecht. Dieses Vorgehen verleugnet diese Werte geradezu.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Die Soldatinnen und Soldaten im Mandat EUNAVFOR MED Irini sind diesem Grundsatz selbstverständlich verpflichtet und konnten im laufenden Mandatszeitraum immerhin circa 1 400 Menschen aus akuter Seenot retten. Dass man sich aber auf EU-Ebene immer noch nicht über einen vernünftigen Umgang mit dieser Herausforderung einigen konnte, und das, obwohl jede Woche Menschen im Mittelmeer ertrinken, ist eine Schande.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, bitte stimmen Sie diesem Mandat zu! Es löst nicht alle Probleme, die wir mit und in Libyen oder auf dem Mittelmeer haben; aber es ist ein wichtiger Beitrag auf dem Weg in eine bessere Zukunft für die Region.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die CDU/CSU hat nun der Kollege Thomas Rachel das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)