Rede von Agnieszka Brugger Fortsetzung des MINUSMA-Einsatzes in Mali

Foto von Agnieszka Brugger MdB
26.05.2023

Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Wehrbeauftragte! Heute stimmen wir über das Abzugsmandat für die Bundeswehr aus der Friedensmission der Vereinten Nationen MINUSMA in Mali ab, deren Hauptaufgaben in der Überwachung des Friedensabkommens und dem Schutz der Zivilbevölkerung bestehen.

Diese Mission war bei allen Schwierigkeiten in der Vergangenheit nicht wirkungslos. Ob es den Waffenstillstand oder das Friedensabkommen ohne die Vereinten Nationen überhaupt gegeben hätte, ist mehr als fraglich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Zugleich regiert in Mali aber aktuell eine Militärjunta, die immer stärker auf Kooperation mit russischen Truppen und Söldnergruppen setzt. Die Berichte über gravierende Menschenrechtsverletzungen nehmen immer weiter zu; die Sicherheitslage verschlechtert sich kontinuierlich. Mit der andauernden Verweigerung von Überflugsrechten für die Mission sorgt die Militärjunta dafür, dass die Aufgaben der UN-Mission im Ganzen, aber vor allem auch die Aufträge der Bundeswehr nicht mehr wirklich erfüllt werden können.

(Beifall des Abg. Markus Grübel [CDU/CSU])

Unter solchen Bedingungen und ohne echte Chance auf Erfolg ist es nicht mehr verantwortbar, Jahr für Jahr dieses Mandat für einen so hochgefährlichen Einsatz einfach so zu verlängern. Immer wieder konnten wir Abgeordnete uns aber trotzdem vor Ort in den letzten Jahren selbst ein Bild davon machen, wie sehr gerade die deutschen militärischen, polizeilichen und zivilen Kräfte geschätzt werden. Für ihren Einsatz in einem schwierigen Umfeld für Frieden und Sicherheit in Mali gilt ihnen daher unser tiefer Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, unabhängig davon, wer von uns in der Koalition oder in der Opposition war,

(Zuruf von der AfD: In Ihrer Koalition kann jeder alles sein!)

haben in den letzten zehn Jahren SPD, Grüne, FDP und auch die Union dieses Mandat geschlossen unterstützt. Wie viele Abgeordnete war auch ich in der letzten Debatte wirklich entsetzt über die Art und Weise, wie die Union bereits in der ersten Lesung angekündigt hat, das Mandat gemeinsam mit Linkspartei und AfD abzulehnen. Sie behaupten einfach mal so aus der Hüfte, man solle den Abzug mal in kürzerer Zeit vollziehen und die Bundesregierung habe sich hier auf einen faulen Kompromiss geeinigt. Das ist purer Nonsens!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Erstens ist der Abzug von so viel Personal und Material unter den schwierigen politischen, klimatischen und auch technischen Gegebenheiten mehr als hochkomplex. Davon konnten wir Abgeordnete uns sowohl vor Ort in Mali und Niger als auch beim umfassenden Briefing im Verteidigungsministerium ein eigenes und detailliertes Bild machen.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Genau so ist es!)

Zweitens liegt auch Großbritannien bereits zweieinhalb Monate hinter den eigenen Abzugsplänen, weil es eben nicht so einfach geht.

Ich weiß nicht, warum die Unionsabgeordneten meinen, dass sie es besser wissen als die militärischen Expertinnen und Experten. Ich und wir als Ampel haben vollstes Vertrauen in die Bundeswehr und danken für die ausführliche Information und die sorgfältige Planung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, neben den logistischen Realitäten gibt es aber auch einen politischen Grund für diesen langfristigen Zeitplan von einem Jahr: Wir haben doch in der Vergangenheit gesehen, dass ein Abzug immer auch Risiken birgt und Destabilisierung verschärfen kann. Umso wichtiger ist es doch, dass dieser geordnet, verlässlich und abgestimmt mit den Vereinten Nationen und unseren anderen Partnern, die ja auch von unserem Abzug betroffen sind, erfolgt. Der Dank unserer Partner und auch der Vereinten Nationen spricht an dieser Stelle für den Weg der Bundesregierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Florian Hahn [CDU/CSU]: Das erzählen Sie jedes Jahr!)

Mit Ihren parteitaktischen Spielchen zeigen Sie, dass Ihnen Deutschlands internationales Ansehen und die deutsche Verlässlichkeit völlig gleichgültig sind,

(Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Das ist aber starker Tobak!)

und gleichzeitig nehmen Sie der Bundeswehr den breiten Rückhalt im Parlament. Das ist schlicht verantwortungslos.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Alexander Graf Lambsdorff [FDP], an die CDU/CSU gewandt: Ihr könnt euch dabei auch nicht wohlfühlen!)

Nicht zuletzt Ihr absurder Vorwurf, dass der Bundesregierung eine Gesamtstrategie fehlen würde! Wie war das denn, als Sie regiert haben? Die Vorgängerregierung hatte was weiß ich wie viele wolkige Afrika-Strategien bzw. -Leitlinien, jedes Ministerium völlig unabgestimmt seine eigene.

(Zurufe der Abg. Florian Hahn [CDU/CSU] und Jürgen Hardt [CDU/CSU])

Und sowohl der letzte Putsch als auch die Präsenz der Söldnergruppen waren bereits Teil der Probleme in Mali, als Sie regiert haben. Was ist passiert? Oder besser: Was ist nicht passiert?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Florian Hahn [CDU/CSU]: Letztes Jahr habt ihr die Strategie angekündigt, 2022! Nichts ist passiert!)

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer hat damals ohne Abstimmung in der Bundesregierung oder mit den Vereinten Nationen einen Tweet rausgehauen, wo sie den Einsatz mal eben so komplett infrage gestellt hat. Dabei blieb es dann aber auch. Sie haben dann einfach so weitergemacht wie bisher. Nicht einmal die Ausbildung des malischen Militärs haben Sie nach dem Putsch beendet – von Strategie wirklich gar keine Spur, weder auf dem Papier noch im Handeln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Florian Hahn [CDU/CSU])

Meine Damen und Herren, es kommt ja nicht allein auf kluge Analysen auf Papier an, sondern es ist das konkrete Handeln, was eine echte Strategie ausmacht.

(Florian Hahn [CDU/CSU]: Ach so!)

Letztes Jahr haben wir eben bereits beschlossen, die Ausbildung der Sicherheitskräfte im Rahmen der europäischen Ausbildungsmission und damit auch die direkte Zusammenarbeit mit der Militärjunta einzustellen. Gleichzeitig haben wir trotzdem versucht, an den Rahmenbedingungen zu arbeiten, damit die Menschen im Norden Malis im Rahmen der UN-Mission trotzdem weiter unterstützt werden können. Und als dann endgültig klar war, dass das nicht mehr wirklich möglich ist, hat diese Bundesregierung ein Mandat für ein geordnetes Auslaufen und zugleich eine neue Ausbildungsmission in Niger und eine Neuaufstellung des entwicklungspolitischen Engagements im Sahel auf den Weg gebracht.

Das Ergebnis dieses intensiven Austausches können Sie auch in der regional fundierten Sahelstrategie nachlesen, die übrigens die Ministerinnen Baerbock und Schulze und Minister Pistorius gemeinsam vorgelegt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Florian Hahn [CDU/CSU]: Der Dreiseiter!)

Anders als die Union, die sich mit ihrer heutigen Ablehnung gemeinsam mit Linkspartei und AfD auf einen irrlichternden außenpolitischen Abseitskurs begibt,

(Thomas Lutze [DIE LINKE]: Jetzt wird es langweilig langsam! Diese Gleichmacherei ist doch peinlich ohne Ende!)

senden die Ministerinnen und Minister –

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– und wir als Koalition die klare Botschaft: Mit diesem letzten MINUSMA-Mandat ist unser Engagement im Sahel nicht zu Ende.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir denken Entwicklung, Diplomatie und Sicherheit zusammen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Als Nächstes gebe ich das Wort an Jürgen Hardt für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)