Rede von Jürgen Trittin Fortsetzung des NATO-Einsatzes RSM in Afghanistan

21.11.2017

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gauland, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört, als Sie gesagt haben, unter den Taliban hätte es weniger Flüchtlinge nach Deutschland gegeben. Ich frage Sie: Hätten wir ernsthaft darauf verzichten sollen, dieses verbrecherische, terroristische Regime auch mit militärischer Gewalt zu stürzen? Das ist doch die Frage.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich finde, dass wir diese Frage richtig beantwortet haben.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Die CIA hat die Taliban gestärkt!)

Diese Antwort bringt uns in eine bestimmte Verantwortung und führt zu der Geschichte eines schwierigen Einsatzes.

Ich will an dieser Stelle eines sagen: Wenn man 16 Jahre dieses miterlebt hat, dann muss man doch einmal herangehen, aufzuhören, die Situation schönzureden, liebe Frau von der Leyen. Wenn man zu seiner Verantwortung steht, dann muss man sich an der Stelle ehrlich machen.

ISAF haben wir nicht geordnet zu Ende bringen können. Wenn ich mir die Bilanz von RSM ansehe – Graf Lambsdorff, es gibt gar nicht so viele Zweifel an den Fakten –, dann kann ich sagen: Die Zahl der zivilen Opfer ist, so die Vereinten Nationen, so hoch wie nie zuvor. Die afghanische Regierung kontrolliert weniger als 60 Prozent des Landes. Inzwischen hat die GIZ fast ihr gesamtes Personal aus Kabul abgezogen. Das alles geschieht mit RSM und trotz RSM und ist nicht neu.

Es wurde bisher immer nur eine Antwort gegeben: mehr von dem Gleichen. – Nachdem man ISAF nicht ordnungsgemäß beendet hatte, hat man gesagt: Wir machen noch zwei Jahre RSM. Jetzt ist man dazu übergegangen, RSM zu entfristen. Man richtet sich auf eine Dauerpräsenz am Hindukusch ein. Die Verteidigungsministerin möchte die Mission sogar aufstocken. Das geschieht in einer Situation, in der Donald Trump auftritt und in der Sackgasse, in der wir alle uns in Afghanistan befinden, verspricht, Vollgas zu geben: „We are not nation-building … We are killing terrorists.“ Das ist eine brandgefährliche Rambo-Strategie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Ausweitung von Drohnenangriffen und Ähnlichem wird dieses Problem nicht lösen. Wenn der CIA-Direktor verspricht, man müsse aggressiv vorgehen, um die Mission zu erfüllen, dann wird das nur ein Ergebnis haben: nicht die Lösung des Konfliktes, sondern seine Eskalation. Dieser Konflikt – das hat der Bundesaußenminister zu Recht gesagt – ist militärisch nicht zu lösen. Wenn Sie sich auf Kurt Beck an dieser Stelle beziehen: Welche Konsequenz haben Sie denn daraus gezogen?

Wir waren da als internationale Gemeinschaft übrigens schon einmal weiter. Wir haben nicht nur mit den Taliban gesprochen, sondern deutsche Diplomaten haben den Taliban ein Büro am Golf eingerichtet,

(Zuruf von der AfD: Super!)

damit solche Gespräche stattfinden können. Das Ergebnis war, dass wir mit dieser Strategie aufgehört haben. Die Strategie hatte nämlich einen ganz einfachen Ansatzpunkt, der lautete: Es wird eine politische Lösung nur geben, wenn es dort auf Dauer weniger internationale Truppen gibt. Das war die Voraussetzung für eine politische Lösung.

Deswegen sagen wir: Wir brauchen für ein solches Mandat eine Abzugsperspektive. Auch wir sind der Auffassung, dass man dieses Land nicht einfach fluchtartig verlassen kann. Wir haben Verantwortung zu tragen. Aber es bedarf eines geordneten Prozesses. Es ist das Gegenteil eines geordneten Prozesses, wenn man an der Seite von Donald Trump in einen neuen eskalierenden Kriegseinsatz einziehen würde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen, sehr geehrter Herr Gabriel, irgendwo zwischen Opposition und Regierung, wo sich die SPD gerade befindet

(Sigmar Gabriel, Bundesminister: Ihr ja auch!)

– wir sitzen da ganz gut, mein Lieber –: Ich hätte mir gewünscht, dass Sie heute ein Mandat mit genau dieser Abzugsperspektive, über die wir alle – CDU/CSU, SPD und wir – uns übrigens einmal einig gewesen sind, vorgelegt hätten, damit wir überhaupt zu einer politischen Lösung kommen können. Sie haben stattdessen immer noch vom Gleichen geredet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)