Rede von Agnieszka Brugger Fortsetzung EUNAVFOR MED-Einsatz SOPHIA

07.06.2018

Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jahr für Jahr sterben Tausende Menschen auf der verzweifelten Flucht über das Mittelmeer. Allein letztes Jahr sind weit über 3 000 Menschen vor den Toren Europas ertrunken. Diese Zahlen sind nicht nur schrecklich, sondern sie bringen auch zum Ausdruck, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union hier versagt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Seit 2015 beteiligt sich die deutsche Marine an der Militärmission EUNAVFOR MED. Trotz aller Kritik – die wird ja nicht nur von uns Grünen geäußert – legt die Bundesregierung ein nahezu unverändertes Mandat vor, das auch Ausdruck ist für falsche Annahmen sowohl in der Außen- als auch in der Flüchtlingspolitik.

Aber bevor ich zu meiner Kritik komme, möchte auch ich mich im Namen meiner Fraktion bedanken bei den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Denn auch wenn Seenotrettung nur eine Nebenaufgabe im Mandatstext ist, haben sie in den letzten Jahren über 22 000 Menschen das Leben gerettet. Unser Dank, unser Respekt und unsere Anerkennung gehen auch an die vielen Helferinnen und Helfer der privaten Seenotrettungsinitiativen wie der Handelsschiffe. All diese Menschen haben einen tollen Beitrag der Humanität in den letzten Jahren hier geleistet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Ulrich Lechte [FDP])

Meine Damen und Herren, wenn ich die Redner von rechts außen hier im Plenum und im Ausschuss höre, dann fällt mir auf: Einerseits behaupten Sie immer wieder, für die Bundeswehr zu sprechen, auf der anderen Seite haben Sie nicht mal den Anstand, bei dem Dank, der von der Bundesregierung geäußert wurde, zu klatschen oder ihn selbst zum Ausdruck zu bringen. Herr Nolte, Sie haben hier ja nicht das erste Mal zu Marinemissionen gesprochen. Bisher sind Sie nicht nur durch Ihre zynischen, hässlichen Aussagen aufgefallen, sondern vor allem dadurch – ich erinnere mich gut, wie der Kollege Lambsdorff von der FDP Sie mal vorgeführt hat –, dass Sie es nicht mal geschafft haben – obwohl Sie ja so stolz sind, selbst Soldat gewesen zu sein –, die drei Marinemissionen Sea Guardian, EUNAVFOR MED und Atalanta überhaupt auseinanderzuhalten.

(Zuruf von der AfD: So ein Schwachsinn!)

Wenn ich Ihre Aussagen in den letzten Monaten zusammen betrachte, dann finde ich: Sie sollten einfach mal ehrlich sein und hier für Ihre Fraktion zum Ausdruck bringen, dass es Ihnen egal ist, ob die Menschen elend im Mittelmeer ertrinken, und dass es Ihnen auch egal ist, wenn sie in den Lagern in Libyen die Hölle auf Erden erleben und dort sterben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich Ihre Reden höre, dann frage ich mich manchmal, ob es in Ihren Reihen nicht auch Leute gibt, die sich darüber auch noch heimlich freuen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Grüne haben immer sehr klargemacht, dass die Schlepper ein brutales, ein zynisches und ein kriminelles Geschäft mit der Verzweiflung und dem Leid der Geflüchteten machen. Wir haben auch immer klargemacht, dass man etwas dagegen tun muss; denn so, wie die Seenotrettung eigentlich nicht die primäre Aufgabe von Militärschiffen ist, wäre die Antwort auf die kriminellen Schlepperstrukturen in erster Linie eine rechtsstaatliche, eine polizeiliche.

Meine Damen und Herren, dieses Mandat hat – das sehen wir ganz anders als Sie von der FDP, Herr ­Lechte – sehr viele problematische Komponenten. Ich möchte eine dieser Komponenten exemplarisch darstellen: Es ist die Ausbildung der libyschen Küstenwache. Nach wie vor kann die Bundesregierung nicht sicherstellen, wer hier ausgebildet wird, und sie kann nicht sagen, welche schreckliche Rolle vielleicht Kräfte der libyschen Sicherheitskräfte als Milizen im grausamen Bürgerkrieg übernommen haben. Wir erhalten Berichte, nach denen zivile Seenotrettungsorganisationen immer wieder behindert und bedroht werden. Vor allem hören wir von einer Kooperation mit den Schleppern. Ist nicht die Aufgabe dieses Mandates, genau diese Schlepper zu bekämpfen? Man sieht: Das, was Sie hier tun, ist nicht sinnvoll, dient nicht dem Ziel und ist schon gar nicht sinnvoll mit Blick auf die Menschenrechte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Denn immer wieder werden Boote beschossen, sie werden abgedrängt. Dabei kommen Menschen ums Leben. Am Ende landen die Menschen wieder in den barbarischen Lagern in Libyen.

All das, meine Damen und Herren, ist der Koalition schon seit mehreren Jahren bekannt. Trotzdem halten Sie an einer Strategie fest, die nichts mit dem Schutz von Menschenrechten zu tun hat. Das ist kurzsichtig, und das ist verantwortungslos.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist ja nicht so, dass es keine Alternativen gäbe. Sie könnten zum Beispiel diese falsche Militärmission beenden und wirklich etwas gegen die Fluchtursachen tun.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie könnten sich für legale und sichere Wege einsetzen. Aber vor allem könnten Sie die zivile Seenotrettung, die es mal gab, wieder aufgreifen. Dazu gehört für uns auch eine gerechte Verteilung der geretteten Flüchtlinge in Europa. Denn bisher ist es immer so, dass sie in Italien landen. Doch hier bräuchte es eigentlich eine gemeinsame europäische Antwort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Bundesregierung sollte lieber das tun, als dieses Mandat um ein weiteres Jahr zu verlängern.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)