Rede von Agnieszka Brugger Fortsetzung EUNAVFOR-MED-IRINI-Einsatz im Mittelmeer

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29.04.2022

Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir an die vergangenen Debatten zu diesem Bundeswehrmandat zurückdenken, dann fällt uns auf: Wir haben über die Lage in Libyen sehr intensiv gesprochen. Das Mandat hängt ja direkt damit zusammen; denn sein Kernauftrag ist die Überwachung des Waffenembargos der Vereinten Nationen. Da gab es den Hoffnungsschimmer – nach so vielen Jahren des Blutvergießens, des Chaos und der Auseinandersetzungen zwischen den Konfliktparteien, die sich nicht einigen konnten –, dass es zu Wahlen kommen könnte, die dazu beitragen, dass es eine vom Parlament breit getragene, geeinte Regierung gibt.

Heute muss man leider feststellen, dass mit der Absage der Wahlen und einer Reihe von anderen Entwicklungen der Friedensprozess bestenfalls ins Stocken geraten ist. Trotz des VN-Waffenembargos, trotz der Vereinbarung sind nach wie vor ausländische Kämpfer und Söldner im Land, und es kommen auch immer wieder neue Waffen in diesen Konflikt.

Im Rückblick muss man auch feststellen, dass die mangelnde europäische Einigkeit an dieser Stelle ein gefährliches Vakuum hinterlassen hat, das nicht nur die Vereinten Nationen in ihrem jahrelangen Bemühen geschwächt hat, sondern das auch anderen Akteuren den Raum gegeben hat, mit Waffen, mit ausländischen Kämpfern nicht die Sicherheit der Menschen und die Stabilität in Libyen zum Ziel zu haben, sondern ihre eigenen geopolitischen Machtinteressen oder auch den Zugang zu Rohstoffen. Deshalb war es richtig, dass die Europäische Union sich vor einigen Jahren entschlossen hat, die Vereinten Nationen stärker zu unterstützen, und auch Deutschland hat daran einen entscheidenden Anteil.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ein Aspekt dieses Engagements ist das Mandat, das heute hier vorliegt. Es geht nämlich darum, sicherzustellen, dass über den Seeweg nicht immer wieder neue Waffen nach Libyen in diesen Konflikt kommen. Jetzt kann man natürlich zu Recht sagen: Waffen kommen nicht nur über den Seeweg; sie kommen auch über den Luftraum, sie kommen auch über Land. – Das sollte aber keine Kritik an der Mission Irini sein, sondern uns eher dazu anhalten, mit den Vereinten Nationen gemeinsam zu überlegen, welchen Mechanismus wir finden können, um auch hier effektiver zu werden.

Was ich mir aber auch noch wünschen würde – da ist in den vergangenen Jahren einiges passiert, aber noch nicht genug –, ist, dass, wenn im Rahmen der Mission in Absprache mit den Vereinten Nationen Embargobrecher erkannt werden, sie dann auch offensiv benannt werden und es zu klaren Konsequenzen kommt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist der Grund, warum wir als Grüne in der Opposition dieses Mandat nicht abgelehnt haben. Wir haben ihm aber auch nicht zugestimmt; denn – das ist etwas, was wir im Koalitionsvertrag miteinander vereinbart haben – wir wollen noch einmal stärker, genauer, kritischer und sachlicher auf die Auslandseinsätze der Bundeswehr schauen. Das kann im Einzelfall bedeuten, richtige Aufträge und sinnvolle Beiträge auszubauen und zu verstärken. Das kann aber auch an der ein oder anderen Stelle bedeuten, Komponenten, die hoch problematisch sind, zu verändern oder gar zu beenden.

Dafür ist auch diese Mission absolut ein gutes Beispiel, weil die Überwachung des Waffenembargos richtig ist. Aber was definitiv falsch war, ist die im alten Mandatstext vorgesehene Möglichkeit, die sogenannte libysche Küstenwache auszubilden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Markus Grübel [CDU/CSU]: Ausbildung hat noch niemandem geschadet!)

Und das ist auch aus guten Gründen nicht passiert. Herr Grübel, Sie wissen ganz genau, dass es eine Küstenwache in dieser Form nicht gibt; sie wird nicht staatlich kontrolliert. Wir reden in Teilen von Verbrechern, von Organisierter Kriminalität, von Schleppern. Wir kennen die Berichte von Amnesty International, in denen darüber berichtet wird, dass Boote abgedrängt werden, dass Menschen in Lager verschleppt werden, dass es Folter, sexualisierte Gewalt, die Versagung von medizinischer Versorgung von Kindern gibt. Das Auswärtige Amt hat selbst in Drahtberichten von – Zitat – „KZ-ähnlichen Zuständen“ gesprochen.

Ich bin der Außenministerin und der Verteidigungsministerin dankbar, dass sie diese Komponente, auch wenn sie in der Realität aus guten Gründen nicht stattgefunden hat, aus dem Mandatstext genommen haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Denn es muss doch klar sein, dass wir Menschenrechtsverletzer nicht ertüchtigen und ausbilden. Das hat auch was mit Mandatswahrheit und ‑klarheit zu tun.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch auf eine zweite Veränderung eingehen, die gerade in diesen Stunden besondere Bedeutung hat. Sie haben vielleicht gelesen bzw. gesehen, dass der Chef von Frontex wahrscheinlich zurücktreten wird, weil offensichtlich sehr schwerwiegende Vorwürfe im Raum stehen wie der, dass er illegale Pushbacks durch Frontex in der Ägäis vertuscht hat. Ich muss Ihnen sagen: Das ist ein absolutes Armutszeugnis. Das hat nichts mit internationalem Recht zu tun, und das hat auch nichts mit europäischen Werten zu tun. Das zeigt, wie viel Handlungsbedarf es auch in Europa angesichts der sehr hohen Zahl von Menschen, die auf dem Mittelmeer sterben, gibt. Da müssen wir insgesamt in Europa besser werden und mehr tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen alle: Es gibt das internationale Recht und die Verpflichtung zur Seenotrettung; das ist eine Selbstverständlichkeit. Im Rahmen der Vorgängermission von Irini, EUNAVFOR MED Sophia, hatte auch ich einmal die Gelegenheit, die Soldatinnen und Soldaten zu besuchen. Sie haben unfassbar viele Menschenleben gerettet; und mit welcher Überzeugung und auch Selbstverständlichkeit sie das aus sich heraus getan haben, das hat mich damals zutiefst beeindruckt. Ich möchte wirklich allen danken, ob in Uniform oder im Rahmen einer privaten Seenotrettungsinitiative, dass sie diese Menschenleben retten, und auch denjenigen, die sich dafür einsetzen, dass es in Libyen zu mehr Stabilität und Sicherheit kommt, damit nicht immer wieder neue Waffen ins Land kommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Veränderungen, die die Bundesregierung in diesem Mandat vorgenommen hat, sie stehen eben dafür, dass beim internationalen Krisenmanagement der Auftrag der Bundeswehr darin besteht, Teil eines Friedensprozesses zu sein, dafür Sicherheit zu schaffen, Stabilität zu gewährleisteten, Menschen zu schützen und nicht Menschenrechtsverletzer und Verbrecher auszubilden.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Der Kollege Jürgen Hardt spricht jetzt für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)