Rede von Manuel Sarrazin Fortsetzung KFOR-Einsatz Kosovo

07.06.2018

Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Jetzt haben wir hier von zwei Fraktionen im Hause eine fröhliche Geschichtsstunde erlebt. Das mag ich ja sehr.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Besser eine Geschichtsstunde als eine Märchenstunde! – Beifall bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN)

– Ja, Herr Dr. Neu, ich habe ja nichts gegen Geschichtsstunden, vor allem nicht, wenn mein Mikro an ist.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Das war Rotkäppchen und der Wolf!)

Ich möchte aber einen Vorschlag machen: Wenn man etwas in diese Region hineintransportieren möchte, was meiner Ansicht nach die wichtigste Message für Frieden und Aussöhnung ist, dann das, dass man über alle Opfer und über alle Täter redet.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Absolut richtig!)

Die beiden Beiträge, die ich meine, haben nur eine Seite beleuchtet: nur die einen Opfer, nur die einen Leiden, nur die einen Menschen, die unter diesem Konflikt gelitten haben, und nicht auch die anderen.

(Zuruf von der AfD: Zuhören! Keine Ahnung!)

Das ist nicht die Message für Frieden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD – Zurufe von der LINKEN)

Wir sagen – das sagt auch die Bundesregierung –: Die Grenzen in dieser Region sind gezogen. Es gibt gar keinen Weg, zu denken, die gezogenen Grenzen könnten verändert werden. Wer einerseits sagt: „Wir brauchen eine Gesamtlösung für die Region“, und andererseits vorschlägt, Grenzen zu verändern, der legt die Lunte an das Fass, der provoziert Krieg.

(Stefan Keuter [AfD]: Das ist pure Dummheit, was Sie hier sprechen! – Zurufe der Abg. Sevim Dağdelen [DIE LINKE] und Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE])

Das ist das, was Sie hier vertreten haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen ist es wichtig, dass der KFOR-Einsatz fortgesetzt wird. Gerade die serbischen Minderheiten, die im Kosovo noch leben – so wie beispielsweise der Abt vom Kloster Decani –, wünschen sich, dass KFOR präsent bleibt, und zwar als Rückversicherung, weil sie sich noch nicht 100 Prozent sicher fühlen. Die Lage ist sicherer, sie ist stabil; aber sie wünschen sich, dass wir als Rückversicherung präsent bleiben, falls schlechtere Zeiten eintreten. Deswegen gilt: Dieser Einsatz ist erfolgreich; aber der wirkliche Erfolg wird sich am Ende daran entscheiden, ob der Weg in Richtung Europäische Union für Kosovo und Serbien erfolgreich sein wird. Das müssen Sie einfach verstehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das, was wir sehen, ist: Das Kosovo ist in einer sehr, sehr intensiven Zeit. Der Normalisierungsprozess, der vor einigen Jahren eine fast ungeahnte Dynamisierung in die Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo gebracht hat, ist ins Stocken geraten.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Weil es keine Normalisierung gibt!)

Wir wünschen uns sehr, dass die kosovarische Seite und Präsident Vucic ins Gespräch kommen und dass wir tatsächlich bald eine richtig tragfähige Lösung bekommen.

Wir sehen auch, dass die internationale Gemeinschaft die kosovarische Politik dazu gebracht hat, ein Spezialgericht in Den Haag anzusiedeln, das die Kriegsverbrechen der UCK zwischen 1999 und 2001 aufarbeiten soll.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Oh! Jetzt sind wir gespannt!)

Wir halten es für absolut notwendig, dass sich auch die kosovarische Politik dieser Verantwortung stellt; denn das ist es, was ich gerade gesagt habe:

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Die albanische Seite! Nicht immer die Kosovaren!)

Alle Opfer dieses Krieges sind Opfer, derer gedacht werden muss und denen Respekt gezollt werden muss. Das ist die Grundlage für uns.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wenn ich mir überlege, was ein wirkliches Herangehen an diese Probleme in den nächsten zwölf Monaten für die Gesellschaft und für die angespannte politische Lage im Kosovo bedeuten kann, dann komme ich zu der festen Überzeugung, dass es besser ist, wenn wir unser Engagement nicht komplett einstellen, sondern die Bundeswehr präsent ist – mit 80 Soldatinnen und Soldaten im Land und einer Mandatsobergrenze von zunächst 800 –, um den Menschen im Kosovo – ganz egal ob es Serben, Ägypter, Kosovaren oder Albaner sind – das Gefühl zu geben: Ihr seid nicht alleine; Deutschland ist weiter da.

Ich habe im Kosovo einen großen Respekt gegenüber der Arbeit der deutschen Soldaten erlebt, die sehr beliebt bei allen Seiten vor Ort waren. Ich denke, dass wir diesen Einsatz deswegen guten Gewissens um ein weiteres Jahr verlängern können.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Florian Hahn [CDU/CSU] – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Bleiben sie halt ewig da!)