Rede von Omid Nouripour Fortsetzung Resolute-Support-Einsatz Afghanistan

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13.03.2020

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Pflüger, man kann zum Einsatz stehen, wie man will. Aber der Krieg begann nicht damit, dass die Bundeswehr nach Afghanistan gekommen ist, sondern spätestens mit dem Einmarsch der Roten Armee in den 70er-Jahren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Widerspruch bei der LINKEN)

Ich selber war vor wenigen Wochen in Afghanistan und hatte die Gelegenheit, mit den Soldatinnen und Soldaten zu sprechen. Ich möchte ihnen für ihren Dienst herzlich danken. Was hier immer zu kurz kommt, ist der große Dank für unsere Diplomatinnen und Diplomaten, die Entwicklungshelferinnen und ‑helfer.

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das ist richtig!)

Auch die Polizistinnen und Polizisten leisten ihren Dienst dort unter Lebensgefahr. Auch dafür einen herzlichen Dank!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich hatte nicht nur die Möglichkeit, mit unseren Leuten zu sprechen, und nicht nur die Gelegenheit, mit der Administration zu sprechen, sondern auch die Gelegenheit, mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft zu reden, einer Zivilgesellschaft, die zumindest in Kabul vital ist

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Nur da!)

und die in erster Linie von freiheitsliebenden Frauen getragen wird. Ich kann Ihnen versichern: Die Sorge, die bei ihnen umgeht, ist immens. Diese Sorge hat viele Gründe.

Wenn wir über die Zukunft von Afghanistan sprechen, ist der Kern des Problems das fehlende Vertrauen der Menschen in die eigene Staatlichkeit, ein Vertrauen, das die Menschen schon mal gewagt haben. Vor sechs Jahren gab es Präsidentschaftswahlen. Damals sind die Menschen in Scharen zur Wahl gegangen, obwohl es Bombendrohungen gegeben hat, obwohl es Anschläge auf Wahllokale gegeben hat. Dieses Vertrauen ist auf sehr viele Art und Weise enttäuscht worden.

Der letzte traurige Höhepunkt vor wenigen Tagen war, dass es eine doppelte Vereidigungsprozedur zweier Herren gegeben hat, die das Vertrauen wirklich verspielt haben. Obendrein kamen noch die Angriffe von Dschihadisten während dieser Vereidigung. In dieser Situation haben die Menschen selbstverständlich große Sorgen. Sie haben Angst. Diese Angst kann ich ihnen nicht absprechen.

Schauen wir uns an, was die Amerikaner gerade verhandelt haben. Die Amerikaner haben mit den Taliban verhandelt, was zwei Nebeneffekte hat, die man sehen muss. Der eine Effekt ist, dass die Autorität der legitimen Regierung in Afghanistan dadurch, dass sie bei den Verhandlungen der Amerikaner überhaupt nicht berücksichtigt worden ist, noch mehr unterminiert worden ist.

Der zweite Effekt ist, dass diese Verhandlungsergebnisse der Amerikaner vieles beinhalten, aber eines nicht, nämlich rote Linien, um die Rechte der Zivilgesellschaft in Afghanistan zu schützen, die bereit ist, für diese Rechte tatsächlich zu kämpfen. Diese Zivilgesellschaft hat die letzten Jahre sehr viel gelitten, um diese Rechte zu bekommen.

In dieser Situation halte ich es für notwendig, ein klares Signal der Solidarität zu senden. Wir haben – auch in meiner Fraktion ‑viele Gründe, dem Afghanistan-Mandat nicht zuzustimmen. Aber unabhängig davon, wie wir zu diesem Einsatz und zur Frage der Abzugsperspektive stehen, ist es offensichtlich, dass die Menschen in Afghanistan weiterhin unsere Hilfe brauchen, gerade beim weiteren Staatsaufbau, noch mal: unbenommen von der Bundeswehr. Es geht darum, ihnen dort beizustehen.

Das sage ich nicht nur, weil die Menschen in Afghanistan nächste Woche hoffentlich halbwegs Frieden finden werden, um ein wenig ihr Neujahrsfest feiern zu können, sondern auch deswegen, weil wir diesen Menschen verpflichtet sind. Zu dieser Solidarität, zu der wir verpflichtet sind, gehört allerdings nicht, gerade in diesen Zeiten, in all der Aufregung, in all dieser Unsicherheit, einfach weiterhin Massenabschiebeflüge nach Afghanistan zu schicken, als wäre nichts passiert. So wird die Bundesregierung ihrer Verantwortung nicht gerecht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat Dr. Fritz Felgentreu für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)