Rede von Agnieszka Brugger Fortsetzung Resolute-Support-Einsatz Afghanistan

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04.03.2021

Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 20 Jahre Einsatz in Afghanistan – das ist auch eine lange Geschichte verpasster Chancen. Die Sicherheitslage ist mittlerweile katastrophal. Die Taliban verüben heftige Anschläge auf die Regierungskräfte und machen ganz bewusst auch Richter und Journalisten zum Ziel ihrer brutalen Attacken.

Rückblickblickend muss man wohl sagen: Die Momente, in denen eine

Chance für eine Wende zum Besseren da war, wurden nicht oder nur unzureichend genutzt. Daraus müssen wir für die Zukunft lernen. Dass die Bundesregierung sich einer selbstkritischen, unabhängigen Evaluation der Auslandseinsätze verweigert, ist ein großes Versäumnis.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE])

Es gab viele verpasste Chancen in Afghanistan in den ersten Jahren, als mehr für den zivilen Wiederaufbau hätte getan werden müssen, oder auch nach den Präsidentschaftswahlen 2014, als auf Mut und Hoffnung der Menschen wieder einmal nur Korruption und Klientelwirtschaft der politischen Eliten folgten.

Unabhängig ob für oder gegen den Einsatz, in einem Punkt herrscht Einigkeit: Militärisch sind die Taliban nicht zu bezwingen. Die Chance auf eine friedlichere Zukunft läge in ihrer politischen Einbindung, die aber rote Linien nicht überschreiten darf. Dass diese vielleicht wichtigste Chance scheitern könnte, hat vor allem Donald Trump zu verantworten. Er hat weder die afghanische Regierung noch die Zivilgesellschaft, geschweige denn Frauen oder marginalisierte Gruppen in die Gespräche mit den Taliban einbezogen und hat ihnen den baldigen Abzug der internationalen Truppen quasi für nichts rübergereicht.

Viele Expertinnen und Experten sehen deshalb kaum Interesse mehr bei den Taliban, sich auf einen echten innerafghanischen Friedensprozess mit der afghanischen Regierung und der Gesellschaft einzulassen. Donald Trump hat die wichtige Verhandlungslösung massiv gefährdet. Nicht nur wegen seiner verheerenden Afghanistan-Politik kann man nur sagen: Endlich ist das Unwesen, das dieser bösartige Chaot auf internationaler Ebene getrieben hat, vorbei!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der neue US-Präsident hat bisher zwei Entscheidungen getroffen: Das Abzugsdatum April 2021 ist vom Tisch, und es gibt einen Review-Prozess zum weiteren Vorgehen. Die Taliban drohen deshalb nun mit Anschlägen gegen die internationalen Truppen. In dieser unklaren Situation hat die Bundesregierung ein Mandat vorgelegt, das mehr Fragen aufwirft, als es beantwortet. Sehen Sie noch eine Chance, mit der Ausbildung von Sicherheitskräften etwas zu erreichen? Und wie lange soll die Bundeswehr in Afghanistan bleiben?

An diesem Punkt ist das Mandat höchst widersprüchlich. Sie sprechen in der Begründung von einem geordneten Abzug. Gleichzeitig sagen Sie, Sie wollen nur lageabhängig raus. Aber was sind dafür die Konditionen, insbesondere wenn die Lage sich verschlechtern sollte? Welche realistischen Erfolgsaussichten sehen Sie überhaupt? Für welches Szenario setzen Sie sich bei der NATO ein? Wer Soldatinnen und Soldaten in einen so gefährlichen Einsatz entsendet, braucht darauf überzeugende Antworten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Was wäre denn Ihre Position?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unabhängig von der Frage des Verbleibs der Bundeswehr dürfen wir jetzt trotzdem international nichts unversucht lassen, um das Ruder bei den Verhandlungen rumzureißen. Ja, die Chancen dafür sind nicht groß; aber wir müssen in ein paar Jahren im Rückblick sagen können: Wir haben alles Menschenmögliche versucht –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– und haben nicht einmal mehr eine der wenigen und schwierigen Chancen für die Menschen in Afghanistan verstreichen lassen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Brugger. – Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Frau Bundesministerin der Verteidigung, Annegret Kramp-Karrenbauer.

(Beifall bei der CDU/CSU)