Rede von Dr. Tobias Lindner Fortsetzung SEA-GUARDIAN-Einsatz im Mittelmeer

22.03.2018

Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach meinen Vorrednern möchte ich zurückkehren zu dem, was die NATO-Mission Sea Guardian im Wesentlichen ist. Es geht um die Lagebilderstellung im Mittelmeerraum.

(Michel Brandt [DIE LINKE]: Was machen die mit den Lagebildern?)

Ich will hinzufügen: Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass die NATO als Bündnis ein Lagebild vom Mittelmeer erstellt. Aber man muss sich natürlich die Frage stellen, ob es dazu am Ende des Tages dieses Mandates bedarf.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lagebilderstellung ist eine der Standardaufgaben der NATO. Die Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundeswehr im Rahmen von Mandaten hier in diesem Hohen Hause ist mit Sicherheit eine der schwierigsten Gewissensfragen überhaupt. Ich finde, wir als Abgeordnete können da zu Recht erwarten, dass wir das Aufgabenspektrum möglichst präzise kennen; denn wir müssen abschätzen können, in welche Gefahren wir die Soldatinnen und Soldaten schicken. Aber wenn man den Mandatstext liest, den Sie uns heute zur dritten Verlängerung des Mandats vorlegen, stellt man fest: Es geht zum wiederholten Mal eher um eine Art Blankoscheck.

Das Aufgabenspektrum des Mandats ist unüberschaubar, es ist unvorhersehbar und damit für das Parlament in letzter Konsequenz unkontrollierbar. Sie reden nämlich nicht nur von Seeraumüberwachung, sondern auch von der Bekämpfung von Terrorismus bis hin zur Durchsetzung eines Waffenembargos gegen Libyen. Das ist ein ganzer Strauß an Aufgaben. Mit dem vorliegenden Mandat kann die Bundeswehr im Mittelmeer quasi überall agieren und Aufgaben übernehmen, für die wir hier im Hohen Hause andere Mandate wie EUNAVFOR MED beschlossen haben; in diesem Zusammenhang kann man zu Recht die Ausbildung der libyschen Küstenwache kritisieren.

Wir müssen uns also die Frage stellen: Warum beschließen wir ein Mandat, das große Überlappungen mit anderen Mandaten aufweist? Wie sollen wir in diesem Hohen Haus und in den Ausschüssen in der Lage sein, genau zu prüfen, was die Bundeswehr macht und was sie nicht macht? Nein, meine Damen und Herren, mit Mandatsklarheit hat das nichts zu tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Getoppt wird das – ich habe es eben erwähnt – durch die Vollmacht zur Ausbildung von Küstenwachen in Anrainerstaaten. Dabei ist im Text völlig unklar, wer wann mit welchem Ziel ausgebildet wird. Das unterhöhlt die parlamentarische Kontrolle.

Frau Kollegin Möller, Sie haben es vorhin erwähnt: Wenn es nur darum ginge, dass Schiffe, die im Rahmen anderer Missionen durch das Mittelmeer fahren, sich bei diesem NATO-Verband anmelden und an der Lagebilderstellung beteiligen, dann wäre meine erste Frage: Braucht es überhaupt einen Mandatstext zu dieser Aufgabe? Wenn man dann nach einer harten Diskussion – ich bin für Argumente immer offen – zu dem Ergebnis käme, dass es sein könnte, dass Soldaten beschossen werden und sie deshalb irgendeine Handhabe brauchen, wie sie sich in einem solchen Fall wehren dürfen – darüber muss man, wie gesagt, diskutieren –, dann muss man sich dennoch die Frage stellen, ob es diesen Mandatstext dazu braucht. Die Antwort meiner Fraktion ist da ganz klar: Nein, diesen Mandatstext braucht es nicht. Deswegen werden wir diesem Mandatstext so nicht zustimmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Schluss zur AfD und zu ihrem Entschließungsantrag:

Erstens. Herr Kollege Nolte, ich hätte mich nach der Diskussion der vergangenen Woche hier im Hohen Hause gefreut, wenn diese Diskussion Niederschlag im Entschließungsantrag gefunden hätte. Ich bin da leider enttäuscht worden.

Der zweite Punkt. Als Fraktion, die heute mit Nein stimmen wird, möchte ich mit Blick auf unsere Soldatinnen und Soldaten, die im Mittelmeer ihren Dienst leisten, sagen – –

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Lindner, Sekunde! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, der Redner versucht gerade, sich mit Ihrem Text auseinanderzusetzen. Ich würde Sie wirklich bitten, entweder zuzuhören oder – und das gilt wirklich für alle – den Raum zu verlassen. – Bitte, Herr Lindner.

Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Zum Schluss möchte ich, Kollege Nolte, jedem, der hier auch nur ansatzweise die Soldatinnen und Soldaten unserer Marine in die Nähe von Schleppern rückt,

(Zuruf von der AfD: Quatsch!)

der das also insinuiert oder so tut, als würden sie an dieser Stelle irgendein Beiwerk leisten, ganz deutlich sagen: Das ist Verhöhnung all derjenigen Angehörigen unserer Bundeswehr, die ihren Dienst im Mittelmeer treu und pflichtbewusst erfüllen.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)