Rede von Dr. Frithjof Schmidt Fortsetzung UNAMID-Einsatz Dafur

Zur Darstellung dieses Videos speichert Youtube Daten in einem Cookie und verarbeitet auch Nutzungsdaten außerhalb der EU. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

13.02.2020

Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist ein kleines politisches Wunder. Was so lange fast unmöglich schien, haben die friedlichen Proteste im Sudan, getragen vor allem von Frauen und der Jugend, im letzten Jahr möglich gemacht: Diktator al-Baschir wurde abgesetzt und eine demokratische Transformation eingeleitet. Und vorgestern hat die Übergangsregierung beschlossen, Baschir an den Internationalen Strafgerichtshof auszuliefern. Das ist ein großer Erfolg, auch wenn die Entmachtung des bisherigen diktatorischen Regimes bisher höchstens zur Hälfte gelungen ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Im Sudan – ich glaube, das muss man ganz klar sagen – existiert heute so etwas wie eine politische Doppelherrschaft. Baschirs bisherige Generäle und politische Vertraute kontrollieren nach wie vor wichtige Sektoren der Staatsmacht. Im aktuellen Übergangsrat finden sich weiterhin einflussreiche Akteure wie Milizenführer „Hemeti“, die versuchen, die zivile Regierung zu sabotieren, und die in der Tat eine extreme Bedrohung für die Durchsetzung einer vollständigen Demokratisierung darstellen. Ihnen darf nicht das Feld überlassen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Sich das klarzumachen, ist von zentraler Bedeutung, wenn wir darüber reden, was die internationale Gemeinschaft jetzt tun kann und muss.

Die demokratischen Kräfte in der neuen Regierung haben neben dem Kampf um die weitere Demokratisierung auch die Aufgabe, die alten, ungelösten gesellschaftlichen Probleme des Landes jetzt endlich zu lösen und zu bearbeiten: die katastrophale wirtschaftliche Situation, die gewaltsamen Konflikte in Darfur, in Südkordofan und in der Region Blauer Nil und die verheerenden Auswirkungen der Klimakrise in der gesamten Region.

Umso wichtiger ist, dass die internationale Gemeinschaft, insbesondere die Europäische Union und auch Deutschland, die demokratischen und friedensfördernden Kräfte im Sudan ganz gezielt in diesem schmalen Fenster der Gelegenheit, das jetzt politisch entstanden ist, aktiv unterstützt. Ich glaube, Frau Buchholz, das ist entscheidend. Ich kann nicht verstehen, dass Sie sozusagen dem Gesamtprojekt der Vereinten Nationen ablehnend gegenüberstehen. Es ist eine schwierige Situation; aber genau diese Kräfte müssen politisch unterstützt werden, und dazu muss die UNO unterstützt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deswegen ist es das politische Gebot der Stunde, die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit dem Sudan, die über 30 Jahre ausgesetzt war, wieder aufzunehmen. Meine Damen und Herren von der Koalition, es ist gut, dass Sie das in Ihrem Antrag auch so sehen. Allerdings ist bisher nicht klar, mit welchen politischen Bedingungen Sie eine längerfristige Entwicklungszusammenarbeit verbinden wollen. In der Situation der faktischen politischen Doppelherrschaft, in der sich das Land befindet, ist es aber unabdingbar und zentral, wenn wir sicherstellen wollen, dass die Leistungen und die Gelder tatsächlich dem demokratischen Wandel im Land zugutekommen.

Deswegen formulieren wir in unserem Antrag Erwartungen. Wir wollen Fortschritte bei Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, bei der gleichberechtigten aktiven Teilhabe von Frauen und marginalisierten Gruppen am Transformationsprozess, bei der Gestaltung eines sogenannten Transitional-Justice-Prozesses, also einer rechtlichen Aufarbeitung der jahrzehntelangen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sudan und auch der Gewalt gegen Demonstrantinnen und Demonstranten im Jahr 2019, und bei freien, fairen, gleichen und geheimen Wahlen 2022.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

An diesen Zielen muss sich die Zusammenarbeit orientieren.

Deswegen muss übrigens auch Schluss sein mit der falschen Orientierung der bisherigen Politik der Europäischen Union, die das Regime von al-Baschir als Stabilitätsanker bei der Eindämmung und Abwehr von Migrationsbewegungen aus Afrika nach Europa bezeichnet und gestützt hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Ich sage auch ganz klar: Hier vermissen wir bisher eine klare Selbstkritik der Bundesregierung, die diese falsche Politik bis zum Schluss mitgetragen hat. Wenn man jetzt so tut, als hätte man mit al-Baschir gar nicht zusammengearbeitet und eigentlich schon immer die demokratischen Kräfte im Lande unterstützt, dann ist das, Herr Außenminister Maas, wirklich eine maßlose Übertreibung dessen, was da getan wurde; es war anders.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, klar ist für unsere Fraktion auch, dass in dieser Lage die Entscheidung des UN-Sicherheitsrates zur Verlängerung der gemeinsamen Blauhelmmission mit der Afrikanischen Union durch ein technisches Roll-over richtig ist. Deshalb unterstützen wir auch die Mandatsverlängerung für den Einsatz der Bundeswehr, so wie wir den Einsatz bisher immer unterstützt haben.

Gerade in Bezug auf die anhaltenden gewaltsamen Konflikte im Sudan besteht jetzt die einzigartige Möglichkeit, ein umfassendes Friedensabkommen zu erreichen, und zwar für alle Regionen, in denen diese Konflikte stattfinden; das sind mindestens drei.

Deshalb muss das politische Engagement der Vereinten Nationen im Sudan sichergestellt und gestärkt werden, auch mit einem dann neu formulierten Blauhelmmandat, was die UNO ja jetzt im März auch vorlegen will. Das sollte Deutschland dann wirkungsvoll politisch unterstützen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Dr. Frithjof Schmidt. – Nächste Rednerin: Ursula Groden-Kranich für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)