Rede von Dr. Frithjof Schmidt Friedensprozess zwischen Äthiopien und ­Eritrea

12.10.2018

Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es gleich klar zu sagen: Es ist gut, dass die Koalitionsfraktionen die Unterstützung des Friedensprozesses zwischen Äthiopien und Eritrea zum Thema in der Kernzeit machen. Es ist sehr gut, dass Außenminister Maas hier gesprochen hat. Das ist eine wichtige Initiative, die der Gemeinsamen Erklärung des Friedens und der Freundschaft zwischen Äthiopien und Eritrea nach Jahrzehnten eines brutalen heißen und kalten Krieges gerecht wird; das begrüßen wir sehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Seitdem wurden in Äthiopien Telefon- und Flugverbindungen wieder etabliert, beide Länder haben diplomatische Beziehungen aufgenommen, und am 11. September wurden die Grenzen das erste Mal seit über 20 Jahren geöffnet. Das bedeutet eine enorme Verbesserung für die Lage der Menschen vor Ort in beiden Ländern. Es ist wichtig, das festzustellen.

Es ist richtig, dass Deutschland dort politisch und wirtschaftlich in enger Zusammenarbeit mit internationalen Partnern hilft. Gerade bei der Demarkierung der Grenzen, die für einen dauerhaften Frieden unerlässlich ist, sollte unser Land Unterstützung anbieten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber auf keinen Fall darf dabei der große politische Unterschied zwischen beiden Staaten aus dem Blick geraten. In Äthiopien gibt es einen Aufbruch zu demokratischen Reformen, die Hoffnung geben, obwohl politische Repression nach wie vor zum Alltag gehört; auch das muss man sagen. Präsident Abiy Ahmed hat Hunderte politische Gefangene entlassen und politische Gruppen eingeladen, aus dem Exil nach Äthiopien zurückzukehren, um sich am politischen Prozess des Landes zu beteiligen. Das ist ein vielversprechender Anfang. Jetzt muss sich zeigen, ob die Zivilgesellschaft auch politischen Raum zur Entfaltung bekommt, ob die Rechte von Minderheiten und auch der Opposition respektiert werden. Eine solche Entwicklung voranzutreiben und zu unterstützen, verdient unser Engagement.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Isayas Afewerki und sein Regime in Eritrea sind dagegen ein ganz anders politisches Kaliber, Außenminister Maas hat das ja auch angesprochen. Von Reformaufbruch fehlt bisher jede Spur. Eritreas politisches System ist in der Figur des allmächtigen Präsidenten zentralisiert. Es gibt keine Legislative, keine Verfassung, keine unabhängige Justiz; Pressefreiheit und Religionsfreiheit sind massiv eingeschränkt. Es gibt einen unbefristeten staatlichen Zwangsdienst für jede und jeden über 18 Jahre bis mindestens zum 50. Lebensjahr; Herr Maas hat das zu Recht angesprochen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition: Es ist richtig, dass Sie in Ihrem Antrag von Eritrea umfassende demokratische Reformen fordern, aber es ist auch klar, dass dieser Präsident dort überhaupt keine Absicht hat, dem nachzukommen. Deswegen gibt es hier bisher keinen Anlass, die UN-Sanktionen und das Waffenembargo gegen Eritrea aufzuheben. Diese Politik der UNO bleibt notwendig und richtig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Der positive Friedensprozess, der von Äthiopien ausgegangen ist, darf nicht dazu führen, das Regime des Diktators Afewerki zu verharmlosen. Der Verdacht, dass die Europäische Union bereit sein könnte – zum Beispiel als Preis für das Entgegenkommen in Migrationsfragen –, einen solchen Diktator quasi als Türsteher Europas in Afrika zu tolerieren, darf auf keinen Fall aufkommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Deswegen ist hier große politische Klarheit geboten. Das gilt – unter dem anderen Vorzeichen einer intensiven Kooperation – natürlich auch im Verhältnis zu Äthiopien. Die wichtige und notwendige Entwicklungszusammenarbeit darf nicht mit einer Politik der Flüchtlingsabwehr konditioniert und belastet werden. Wenn wir den Respekt vor demokratischen Werten und demokratischen Reformen von unseren afrikanischen Partnern glaubhaft einfordern wollen, dann darf nicht der Anschein einer Instrumentalisierung der Zusammenarbeit für die Abwehr und Unterdrückung von Flucht erweckt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Man muss klar sagen: Die Europäische Union ist gegenwärtig überhaupt nicht über diesen Verdacht erhaben. Der sogenannte Khartoum-Prozess ist in dieser Hinsicht schwer belastet, hat eine massive Schieflage und bedarf einer politischen Neuausrichtung, gerade wenn wir europäische Initiativen ergreifen wollen, was ja grundsätzlich richtig ist. Ich denke, auch dafür bietet sich durch den Friedensprozess zwischen Äthiopien und Eritrea ein Ansatzpunkt und eine Chance, diese Politik zu verändern, die wir politisch nutzen sollten.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)