Rede von Dr. Anton Hofreiter G-7-Gipfel in Kanada

14.06.2018

Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben alle, wie ein US-Präsident mit einem Tweet einen schwierig ausgehandelten und eh bereits dünnen Kompromiss in die Tonne tritt. Wir erleben, wie ein US-Präsident sich nicht im Geringsten für bedeutende internationale Abkommen wie zum Beispiel das Iran-Abkommen interessiert. Natürlich ist dieses Abkommen nicht perfekt, aber es ist das Beste, was wir in dem Bereich haben. Die USA interessieren sich nicht dafür.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir erleben, wie ein US-Präsident einen der bedeutendsten völkerrechtlichen Verträge der letzten Jahrzehnte, das Pariser Klimaschutzabkommen, einfach aufkündigt. In dieser dramatischen Lage haben eigentlich alle vernünftigen Kräfte – in Deutschland, in Europa – verlangt, dass die Europäische Union stärker zusammenarbeiten muss, dass Europa gestärkt werden muss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dafür gibt es eine ganze Reihe guter Gründe. Die Herausforderungen sind für einzelne Länder innerhalb Europas, die im Verhältnis zu solchen Mächten wie China, Indien oder auch den USA sehr, sehr klein sind, zu groß. Um diesen großen Herausforderungen zu begegnen, braucht es die Zusammenarbeit. Um das alleine anzugehen, dafür ist auch das im Verhältnis mächtige und bedeutende Deutschland deutlich zu klein. Und deshalb – unter anderem deshalb – brauchen wir eine deutlich stärkere Europäische Union und eine engere Zusammenarbeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Man hätte erwarten können, dass die Regierung daraus Konsequenzen zieht. Wir haben gesehen, wie die Bundesregierung – Frau Merkel und Herr Altmaier – angesichts der drohenden Zölle, als die EU-Kommission einen Vorschlag gemacht hat, versucht hat, auf eigene Rechnung hinter dem Rücken der EU-Kommission und der europäischen Partner einen Deal mit den USA auszuhandeln. Wir haben gesehen, wie die Bundesregierung verhindert hat, dass das Pariser Klimaschutzabkommen ein wesentlicher Bestandteil des nächsten Mandats für die Verhandlungen über die Handelsabkommen mit Australien und Neuseeland wird, so wie der französische Präsident das wollte. Man hätte eigentlich erwarten können, dass nach all den Schwierigkeiten auf dem G‑7-Gipfel damit jetzt endlich Schluss ist. Aber was haben wir heute erlebt? Wir haben heute erlebt, dass eine CDU/CSU-Bundestagsfraktion, insbesondere der CSU-Teil, nicht davor zurückschreckt, aus billigen Wahlkampfgründen, aus billigsten Wahlkampfgründen die Stabilität der Regierung, damit die Stabilität Deutschlands und damit die Stabilität der Europäischen Union zu gefährden. Das ist mehr als hochproblematisch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich erwarte von den Regierungsfraktionen, und zwar insbesondere von der CDU/CSU, dass sie endlich zu vernünftigem Handeln zurückkehren. Wir sehen doch, dass um uns herum die Welt in Aufruhr ist, dass wir in größten Schwierigkeiten stecken. Und Sie führen hier ein solches Schmierentheater auf. Wo ist denn Ihre Verantwortung geblieben?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Was ist denn angesichts von Trump, von Erdogan, angesichts des Aufstiegs von China, einem mächtigen, autokratischen Regime, eigentlich nötig? Was wir bräuchten, um den Multikul – – den Multilateralismus zu retten – –

(Lachen und Beifall bei Abgeordneten der AfD)

– Dass Sie nicht verstehen, was internationale Zusammenarbeit ist,

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Nein! Wir können nicht verstehen, was Sie reden! Niemals!)

ist offensichtlich. Ich verstehe, ehrlich gesagt, angesichts Ihrer Gesinnung, dass Sie lachen und sich lustig machen über die großen Probleme in dieser Welt,

(Kay Gottschalk [AfD]: Zusammenarbeit auf Augenhöhe!)

aber Sie sollten sich schämen für Ihr Verhalten.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ja, ja! Wir müssen uns ja immer schämen, wenn Sie am Rednerpult sind!)

Sie sind ein Problem für dieses Land, und Sie sind ein Problem für die internationale Zusammenarbeit. Überall, wo solche wie Sie an der Macht sind, geht es den Menschen schlecht,

(Lachen bei der AfD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Wo sind denn solche wie wir an der Macht?)

haben wir international Probleme und werden die Schwierigkeiten nur größer. Es ist bezeichnend, dass Sie sich darüber freuen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Was brauchen wir, um die multilaterale Zusammenarbeit zu stärken? Wir brauchen eine engere Zusammenarbeit in Europa. Man muss sich darum kümmern, dass sich die südeuropäischen Staaten nicht weiter ausgegrenzt und abgehängt fühlen. Da braucht es Investitionen und ein Ende der Austerität.

(Zurufe von der AfD)

Aber man muss sich auch um die osteuropäischen Staaten kümmern.

(Zuruf von der AfD: Ja, die auch noch!)

Eines der größten Probleme für Polen zum Beispiel – eine nicht einfache Regierung – ist das Festhalten Deutschlands an Nord Stream 2.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Warum geben Sie nicht endlich Nord Stream 2 auf? Es würde viele Probleme innerhalb der Europäischen Union lösen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn die Europäische Union stärker zusammenarbeiten würde, dann hätten wir auch Chancen, viele Probleme anzugehen. Selbstverständlich braucht es strategische Zusammenarbeit auch mit schwierigen Regimen, wenn es um die Rettung des Iran-Abkommens geht. Es braucht auch die Zusammenarbeit mit China. Aber was wir insbesondere brauchen, ist eine vertiefte Zusammenarbeit mit allen demokratischen Staaten, damit sich die demokratischen, an Multilateralismus und Klimaschutz interessierten Staaten nicht weiter von Trump rumschubsen lassen. Das ist das, was wir bräuchten. Dafür bräuchten wir eine handlungsfähige Bundesregierung. Deshalb erinnern Sie sich an Ihre Verantwortung, und beenden Sie dieses Schmierentheater!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)